1. Krefeld

Interview und ein persönlicher Brief von Pflegemutter Melanie

Interview und ein persönlicher Brief von Pflegemutter Melanie : "Das Schönste ist, wenn die Kinder aufblühen"

Pflegeeltern auf Zeit: Das Team des Kastanienhofs sucht dringend weitere Familien, die ein (Klein-)Kind für ein paar Monate bei sich zu Hause aufnehmen. Wie fühlt sich das an? Was macht diese Aufgabe beglückend, woran hat man zu knabbern?

Über diese Fragen sprachen wir mit Pflegemutter Melanie (der vollständige Name wird bei Pflegeeltern grundsätzlich nicht bekanntgegeben). Darüber hinaus richtet sie einen persönlichen Brief an unsere Leserinnen und Leser.

Wie ist Ihre eigene Familiensituation und was hat den Anstoß gegeben, diese Aufgabe zu übernehmen?
Tatsächlich fing es an mit einem Zeitungsartikel aus dem Extra-Tipp (lacht). Den habe ich ausgeschnitten und an die Pinwand gehängt. Und da hing er erstmal ein paar Wochen. Unsere beiden Söhne waren damals 7 und 10 Jahre alt, und wir hatten schon seit einiger Zeit darüber nachgedacht, ob das etwas für uns wäre. Aber man weiß ja am Anfang gar nichts und stellt sich viele Fragen. Das fing mit solchen Basics an wie „bleibt das Kind eigentlich über Nacht?“ und ging bis zu den finanziellen Details, denn ich war ja noch angestellt. Wir haben gerechnet, ob das überhaupt gehen würde mit nur einem Gehalt. Später haben wir dann erfahren, dass es ja eine Aufwandsentschädigung gibt und dass solche Sachen wie Wickeltisch, Kleidung und Kinderwagen gestellt werden. Das Finanzielle sollte natürlich auf gar keinen Fall der Grund sein, warum man diese Aufgabe übernimmt! Aber in vielen Fällen geht es einfach nicht anders, man muss auch darüber nachdenken. Irgendwann haben wir dann doch einen Termin vereinbart und hatten dann sehr, sehr gute Beratungsgespräche im Kastanienhof. Es hat einfach gepasst, auch menschlich, denn wir haben uns mit den Mitarbeiterinnen aus dem Pflegekinder-Team auf Anhieb gut verstanden. Den allerletzten Anstoß hat dann ehrlicherweise meine Chefin gegeben, die sagte: Wenn sich herausstellt, dass es nichts für dich ist, kannst Du jederzeit zurückkommen.

Mit dieser Zusage im Rücken sind Sie gestartet, wie war das am Anfang?
Bei den ersten Kindern ist man natürlich sehr aufgeregt, wie wird das laufen, mache ich alles richtig und so weiter. Inzwischen sind wir deutlich cooler. Das Entscheidende war: Ich persönlich habe festgestellt, dass es tatsächlich genau mein Ding ist. Es klappt auch gut, das Kind voll in die Familie zu integrieren, alle unterstützen das. Auch meine Söhne, die inzwischen 16 und 19 sind. Sie sind zum Beispiel für das Rumtoben und Verstecken spielen zuständig, das machen sie richtig toll.

Was lieben Sie besonders an dieser Aufgabe?
Wenn die Kinder aufblühen! Ich kann es nur so beschreiben: Sie kommen irgendwie grau an und blühen dann nach ein paar Tagen auf. Wissen Sie, woran man merkt, dass ein Kind angekommen ist? Klingt komisch, aber sie werden „weicher“. Wer Kinder großgezogen hat, wird wissen, was ich damit meine. Anfangs ist oft kaum Körperkontakt möglich. Man muss dann einfach da sein, Ruhe reinbringen. Das kann dann so zwei bis drei Tage dauern, länger eigentlich nie. Hängt natürlich auch davon ab, was die Kinder vorher erlebt haben. Das will ich gar nicht alles wissen, muss ich auch nicht, aber wenn ein spezielles Problem vorliegt, werde ich schon darüber informiert, und natürlich kann man sich jederzeit beraten lassen und bekommt jede denkbare Unterstützung.

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Wie lange machen Sie das schon und wie alt waren die Kinder, die Sie aufgenommen haben? Wie lange blieben sie üblicherweise?
Das erste Kind hatten wir vor etwa acht Jahren, insgesamt waren es – ich muss rechnen - etwa 15 Kinder, alle im Baby- oder Kleinkindalter. Sie sind zwischen zwei Monaten und zwei Jahren geblieben, wobei die zwei Jahre eine absolute Ausnahme waren.

Fällt es dann nicht unglaublich schwer, ein Kind wieder abzugeben?
Das ist genau der Punkt, den auch viele Bekannte von mir angesprochen haben, wenn es um das Thema ging. Ja, sicher, in vielen Fällen ist die Trennung nicht so einfach, vor allem, wenn das Kind schon ein bisschen älter ist. Je älter, umso stärker ist die Bindung, das weiß man ja. Aber die Rückkehr zu den eigenen Eltern oder der Übergang zu einer dauerhaften Pflegefamilie passiert ja nicht von heute auf morgen. Das wird begleitet, da gibt es viele Treffen, bei denen das Kind genug Zeit hat, sich umzugewöhnen. Und auch ich stelle mich in dieser Zeit ja darauf ein. Aber den Startschuss zum Wechsel gibt letztlich das Kind, da achten alle Beteiligten genau auf die Signale, wann es dazu bereit ist. Mir kommt es darauf an, den Kindern diesen Übergang zu erleichtern. Ich bin ja erwachsen, ich kann das verkraften! Für die Kinder ist das alles viel, viel schwieriger, sie brauchen Erwachsene, die ihnen Sicherheit geben.

Was könnte Menschen Mut machen, die auch überlegen, Pflegeeltern auf Zeit zu werden?
Sie sollten sich bewusst machen: Wenn ich so etwas lese wie diesen Artikel, dann weiß ich eigentlich schon im Herzen, ob das etwas für mich ist oder nicht. Auch wenn man sich das erst mal nur an den Kühlschrank hängt und so tut, als wüsste man es nicht. Wenn die Antwort grundsätzlich Ja ist, dann sollte man sich einfach mal trauen, den Kontakt aufzunehmen und sich zu informieren. Das gibt mehr Klarheit und ist ja völlig unverbindlich. Wohin die Reise geht, findet man am besten heraus, wenn man die ersten Schritte tut.

Ein Infoabend findet am 10.01.2024 um 18 Uhr im Saal des Kastanienhofs, Kaiserstraße 103a, statt.

„Liebe Leserinnen und Leser,

mein Name ist Melanie, ich bin 46 Jahre alt, und seit acht Jahren sind mein Mann (48) und unsere beiden Söhne (19+16) eine Bereitschaftsfamilie. Bestimmt haben Sie das Wort Bereitschaftsbetreuung oder Bereitschaftsfamilie schon einmal gehört oder gelesen. Eine Bereitschaftsfamilie zu sein, ist für uns zu einer Berufung geworden. In letzter Zeit brennt uns aber etwas auf der Seele was wir Ihnen gerne mitteilen möchten: Es gibt viel zu wenig Bereitschaftsfamilien.

Jährlich muss über achtzig Babys und Kleinkindern eine Unterbringung abgesagt werden, weil die Bereitschaftsfamilien besetzt sind oder es schlicht keine mehr gibt. Diese Kinder werden dann in sogenannten „Auffangstationen“ untergebracht, wo „jeder“ im Alter von 0-18 Jahren aufgenommen wird, für den es keine Aussicht auf Unterbringung gibt. Das ist so traurig und bricht uns das Herz. Es ist uns ein Anliegen, jedem, der diese Zeilen liest und sich vorstellen kann, einen Säugling oder Kleinkind für eine gewisse Zeit bei sich aufzunehmen, zu sagen: Fassen Sie sich ein Herz und haben Sie den Mut, im Kastanienhof anzurufen.

Lassen Sie sich von den vier netten Damen erzählen, wie Bereitschaftsfamilie funktioniert und erleben Sie, das es die „kleinen Dinge“ sind, die wirklich glücklich machen. Erfahren Sie, dass Kinder, die traurig und „grau“ in Bereitschaftsfamilien ankommen, aufblühen wie eine Rose, die sich öffnet, wie Augen anfangen zu leuchten und fröhliches Kinderlachen erklingt.

Es macht einen stark, wenn man beobachten darf, dass Kinder sich beim einem sicher und geborgen fühlen und glücklich, wenn man feststellt, dass man dafür nur Liebe, Geborgenheit und Verständnis für die Herkunftsfamilie aufbringen muss.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine der Grundvoraussetzungen für die Arbeit als Bereitschaftsfamilie ist, dass ein Teil der Bereitschaftseltern zu Hause bleiben sollte. Als finanzielle Aufwandsentschädigung erhält die Bereitschaftsfamilie einen nicht unerheblichen monatlichen Betrag.

Die komplette „Hardware“ wie Bettchen, Stühlchen, Kinderwagen, Maxi-Cosi, Autositz sowie Wickeltisch wird vom Kastanienhof gestellt. Auch gibt es dort Schränke voll mit Anziehsachen, Schlafsäcken, Decken, Schuhen und diversen anderen Sachen für Babys und Kleinkinder, an denen man sich einfach bedienen darf. Zusätzlich werden Auslagen wie z.B. Fahrtkosten erstattet, wenn man zu Besuchskontakten mit den Herkunftseltern in den Kastanienhof fährt.

Ich für mich persönlich habe in dieser Aufgabe mein Glück gefunden. Ich mache Babys und Kleinkinder glücklich, indem ich diesen einfach Familienleben zeige. Vor acht Jahren bin ich aus der stressigen Berufsspirale ausgestiegen, und seitdem sind meine Chefs und Chefinnen 0-3 Jahre alt. Ich habe Zeit, mich um die wichtigen Dinge im Leben zu kümmern, um die Kinder, um unsere Zukunft.

Ja, der Abschied ist bei manchen Kinder schwer, aber dies geschieht nicht von heute auf morgen, dieser Prozess dauert mehrere Wochen, und das Kind und die eigene Familie können sich gut darauf einstellen. Man wird sehr gut durch den Kastanienhof betreut und begleitet, und es wird Wert darauf gelegt, sich auch noch nach dieser Zeit hin und wieder mit dem Kind zu treffen.

Zu vielen Kindern haben wir noch heute Kontakt, und es sind einige richtige Freundschaften entstanden. Das älteste Mädchen, welches wir 2015 bei uns hatten, ist heute 11 Jahre alt und sie ist heute noch dankbar für die Zeit, die sie bei uns sein durfte. Sie kann sich heute noch an ganz viele Sachen erinnern.

Sie sehen, es ist kein „Hexenwerk“, und wir sind eine ganz normale Familie, nicht arm, nicht reich, doch der wahre Reichtum liegt nicht in den Dingen, die man besitzt, sondern in Momenten, die das Herz berühren. Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Jahr.“