1. Krefeld

IHK-Präsident im Interview: "Jugendliche müssen bereit sein, Leistung zu bringen"

IHK-Präsident im Interview : "Jugendliche müssen bereit sein, Leistung zu bringen"

Elmar te Neues, Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein, spricht über fehlende Ausbildungsplätze, drohenden Fachkräftemangel und die Defizite bei Schulabgängern.


In Krefeld bewarben sich im vergangenen Jahr 2100 Jugendliche auf 1515 Ausbildungsstellen. Was tut die IHK Mittlerer Niederrhein, um Firmen zu animieren, mehr Plätze bereitzustellen?

te Neues Die Ausbildungsberater der IHK Mittlerer Niederrhein haben im vergangenen Jahr mehr als 2000 Betriebe persönlich vor Ort beraten. Gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Betrieben arbeiten sie intensiv daran, mehr Ausbildungsstellen zu schaffen. Die Ausbildungsberater helfen den Firmen dabei, die notwendigen Voraussetzungen für die Einrichtung von Ausbildungsplätzen zu schaffen.

Wenn ein Betrieb keine geeigneten Bewerber findet, helfen ihm die IHK-Fachkräfteberater dabei, sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb aufzustellen.


Die IHK ist Partner bei Aktionen wie CHECK IN Berufswelt, sie organisiert Formate wie das Azubi-Speed-Dating, betreibt eine Ausbildungsplatzbörse und hält Matching-Angebote zur Vermittlung zwischen Unternehmen und Bewerbern bereit.

Firmen klagen über schulische Defizite bei zu vielen Jugendlichen. Was sollte passieren?

te Neues Die Ausbilder in den Unternehmen haben inzwischen Ausbildungs- und Erziehungsaufgaben übernommen, die mitunter weit über den beruflich-fachlichen Rahmen hinausgehen. Diesen gesamtgesellschaftlichen Dienst leisten sie mit großem Engagement. Sie bekommen allerdings auch zu spüren, dass die jungen Menschen nach dem Schulabschluss zunehmend Defizite aufweisen.

Aus Sicht der Unternehmen müssen die Schulen intensiver als bisher dafür sorgen, dass Schulabgänger die Grundlagen in Deutsch, Mathematik und Englisch beherrschen.

Angesichts des digitalen Wandels sollten die Schüler auch über digitale Basiskompetenzen verfügen. Mindestens genauso wichtig wie Fachwissen ist die persönliche Haltung der Jugendlichen. Sie müssen bereit sein, Leistung zu bringen. Sie sollten dazu erzogen sein, konstruktiv und respektvoll mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten.

Dass das Ausüben eines Berufs Teil eines erfüllenden Lebens ist — das gehört aus meiner Sicht auf den Lehrplan der Schulen, die ja bekanntermaßen aufs Leben vorbereiten sollen.

Insofern begrüße ich auch die Pläne der Landesregierung, Wirtschaft als Schulfach zu etablieren. Übrigens ist die IHK im Bereich Berufsorientierung sehr aktiv, zum Beispiel mit der Initiative "Ausbildungsbotschafter".

Dabei gehen Azubis unserer Mitgliedsunternehmen in die Schulen und berichten über ihren Weg in den Ausbildungsberuf, den beruflichen Alltag und ihre Aufstiegschancen.

  • Schüler schnuppern Firmenluft
  • Lehrstellen : Was beim Run auf "Traumberufe" übersehen wird
  • Neue Kurse starten am 1. März : Hilfe bei der Ausbildung

Die Schülerzahlen — und damit die Zahlen künftiger Azubis — werden deutlich zurückgehen. Wie sollten sich Firmen darauf vorbereiten?

te Neues Bereits heute ist der Mangel an Fachkräften für 40 Prozent unserer Unternehmen das größte Konjunkturrisiko. Der demografische Wandel wird die Lage noch verschärfen. Es gibt weniger junge Menschen, und gleichzeitig hält der Trend zum Studium an.

Alle Beteiligten müssen noch mehr als bisher deutlich machen, welche vielfältigen Chancen eine Berufsausbildung bietet. Auch die Politik ist gefordert, sich dafür einzusetzen, dass berufliche und akademische Bildung als gleichwertig wahrgenommen werden.

Die Unternehmen sollten in ihrem Ausbildungsengagement nicht nachlassen und mit besonderen Ideen junge Menschen für sich gewinnen. Gleichzeitig gilt es natürlich, die vorhandenen Fachkräfte weiterzubilden, ihnen neue Aufstiegsperspektiven zu bieten und sie so an das Unternehmen zu binden. Bei allen Fragen rund um die Aus- und Weiterbildung steht die IHK den Betrieben mit Rat und Tat zur Seite.

Stichwort Studienabbrecher — Sehen Sie hier Potenzial für freie Ausbildungsplätze?

te Neues Studienabbrecher, die erkannt haben, dass für sie eine Berufsausbildung die bessere Wahl ist, sind in den Unternehmen sehr willkommen. In Kooperation mit der Hochschule Niederrhein stehen die IHK-Experten Studienabbrechern bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zur Seite. Allerdings wäre es mir lieber, wenn es in den Schulen durch gute Berufsorientierung gelänge, jungen Menschen Umwege, Zeitverlust und Frust zu ersparen.

Was raten Sie Jugendlichen, die sich in diesem Jahr für eine Ausbildung bewerben wollen?

te Neues Ich rate dazu, nicht nur an einem Traumberuf zu hängen. Es gibt so viele kaufmännische und gewerbliche Ausbildungsberufe, die weniger bekannt sind, aber dennoch hervorragende Chancen nach der Ausbildung eröffnen.

Wenn es unbedingt der eine Traumberuf sein soll, dann müssen die Jugendlichen auch mobil und bereit sein, längere Wege zurückzulegen oder auch den Wohnort zu wechseln. Wer nicht die besten Schulnoten vorweisen kann, der sollte versuchen, mit seiner Persönlichkeit zu punkten.

Das Gespräch mit Elmar te Neues führte Extra-Tipp-Redaktionsleiter Jan Popp-Sewing

(jps)