1. Krefeld

Die Musik lockt den Horror

Die Musik lockt den Horror

Eigentlich beginnt die neue Spielzeit des Krefelder Stadttheaters erst Anfang September. Aber die Niederrheinischen Sinfoniker preschten vor und gaben Freitag und Samstag eine ungewöhnliche Vorpremiere: unter freiem Himmel untermalten sie einen Horrorfilm von 1925.

Krefeld. Die Reihen auf der Zuschauertribüne der Galopprennbahn waren dicht gefüllt, als rund 60 Sinfoniker bei Anbruch der Dunkelheit die überdachte Bühne betraten. Erst wurde noch ein wenig an den Geigen gezupft, die Instrumente eingestimmt, wie dies bei Opern- und Konzertaufführungen üblich ist. Dirigent Andreas Fellner verbeugt sich, freundlicher Applaus, alles ganz traditionell. Doch dann fährt der Kinovorführer auf der riesigen Freiluftleinwand den Film ab: „Das Phantom der Oper“ aus dem Jahre 1925 in einer restaurierten Fassung von 1929. Strahlendes Schwarz-weiß natürlich und selbstverständlich stumm mit Zwischentiteln. Der englische Klassiker aus der Stummfilmzeit bildet Höhepunkt und Abschluss des SWK-Open-Air-Kinos auf der sommerlichen Rennbahn.

Zur Stummfilmzeit war es üblich, dass ein Klavierspieler neben der Leinwand saß und mit seiner Musik die Emotionen der bewegten Bilder steigerte. Diesen Part übernahmen in vielfach überhöhtem Maße nun die Niederrheinischen Sinfoniker.

Allein schon der Vorspann des Films, der Titel und Namen der Mitspieler aufführte, gewann durch die dunklen Bässe des Orchesters einen bedrohlichen Ausdruck. Der Zuschauer spürte noch bevor er die erste Sequenz gesehen hatte: Hier geht es unheimlich zu.

In der Tat: Das mehrstöckige, opulent ausstaffierte Opernhaus auf der Leinwand besitzt einen ebenso mehrstöckiges Kellergewölbe mit vielen dunklen und geheimnisvollen Gängen. Ehemals eine mittelalterliche Folterkammer. Dort haust ein Menschenverächter mit entstelltem Gesicht, der sich immer wieder in die Opernaufführungen schleicht und Böses im Schilde führt.

Für die Menschen der 20er Jahre muss allein schon die Kulisse im Film grauslich gewirkt haben. Aber auch der heutige Zuschauer kann sich der dunklen Atmosphäre des Films kaum entziehen. Vor allem, da die Sinfoniker präzis abgestimmt die einzelnen Szenen mit ihrer schaurigen Musik unterstreichen. Die Musik ist übrigens neueren Datums. Der Komponist Carl Davis hat sie 1996 eigens für den alten Stummfilm komponiert. Dirigent Fellner hat den Film dutzende Male gesehen, um die genaue Anpassung hinzubekommen, Das ist voll gelungen. Bravo, bravissimo.

(City Anzeigenblatt Krefeld II)