1. Krefeld

Merkwürdiger Umzug ins Kunstmuseum Haus Lange: Asyl für Brexit-Flüchtling

Merkwürdiger Umzug ins Kunstmuseum Haus Lange : Asyl für Brexit-Flüchtling

Wer zieht denn da ins Haus Lange an der Wilhelmshofallee ein? Es heißt: eine deutsche Familie, die in England lebte und vor dem Brexit zurück nach Hause geflüchtet ist. Doch wenn man die neu eingerichtete Wohnung betritt, kommt einem manches sehr obskur vor...

"Unsere Sekretärin wollte schon gar nicht mehr ans Telefon gehen", lacht Museumsdirektorin Katja Baudin, "so oft wurde nach dem Verkauf von Haus Lange gefragt". Schließlich steht seit Wochen das Schild einer Immobilienfirma im Vorgarten des Kunstmuseums: "Zu verkaufen".


Doch Vorsicht: "Wir befinden uns im Zeitalter der fake news (Falschmeldungen)", warnt Katja Baudin mit ironischem Lächeln.


Betritt man das Haus, wird die Ankündigung aber zunächst bestätigt: Die Museumsräume sind zur großbürgerlichen Wohnung umgestaltet: ein Wohnzimmer ist eingerichtet, ein Klavierzimmer, Schlafräume, Badezimmer.


Merkwürdig nur: durch den Tisch im Festsaal geht ein Riss, die Rohre im Badezimmer sind verknotet und auf der Kinderwiege sitzt ein Geier.


Denn gestaltet hat die Wohnung das Künstlerduo "Elmgreen&Dragset". Die beiden Skandinavier sind international berühmt für ihre Raumgestaltungen. Entsprechend riesig war am Freitag bei der Vorbesichtigung das Medienaufgebot. Auf der Biennale in Venedig 2009 erregte das Duo Aufsehen mit einem Swimmingpool, in dem ein Ertrunkener treibt. "Diesen Pool haben sie bei uns in Krefeld wieder aufgebaut", verweist Kuratorin Dr. Magdalena Holzhey auf den gruseligen Anblick im Garten.


"Im kleinen Umfeld der einziehenden Familie spiegelt sich der Zustand Europas", erklärt Ingar Dragset den Leitfaden der atemberaubenden Installation. Es ist ein Europa der Risse und Widersprüche, ein Europa der Fluchten und Unbehaustheit; ein Europa, das vor dem Kollaps zu stehen scheint.


Dabei gibt die Wohnungseinrichtung keine klare Linie vor: "Die Besucher können sich selber ihren Reim darauf machen, welche Art Leute hier wohnen", ermuntert Dr. Holzhey.
Am Sonntag, 19. Februar, eröffnet Oberbürgermeister Frank Meyer die Schau um 11.30 Uhr.

"Das war eine extrem komplexe Ausstellung", berichtet Katja Baudin von den umfangreichen Vorbereitungen. Die Kunststiftung NRW stand dabei fördernd zur Seite. Ebenso die Stadt Krefeld. Allein schon die Aufstellung des "Verkauft"-Schildes bedurfte deren Zustimmung, die prompt erfolgte: "Der Oberbürgermeister fand die Idee super", freut sich Baudin über so viel Unterstützung.


Denn die Ausstellung passt genau zum Haus: "Das Haus verkörpert das alte Europa", erinnert Kuratorin Dr. Holzhey an den Architekturveteranen Mies van der Rohe. Die eingerichtete Wohnung mit ihren verstörenden Elementen symbolisiert statt dessen ein Europa, das sich seiner selbst nicht mehr sicher ist. Ausdruck dessen ist der englische Brexit.

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Überdies spiegelt die Einrichtung auch den schmalen Grenzbereich zwischen Alltäglichkeit und Kunst, wenn beispielsweise die Rohre der sanitären Anlagen im Bad ineinander verknotet sind wie Seile oder auf dem Klavier eine nervend tickende Sekundenuhr steht.


Der Besuch an der Wilhelmshofallee lohnt aber auch aus einem zweiten Grund:
Im benachbarten Haus Esters eröffnet zeitgleich am Sonntag, 19. Februar, der guatemalische Nachwuchskünstler Naufus Ramires-Figueroa seine Kunstausstellung mit dem Titel "Vereinigung zweier Flamingos auf einem Blechdach." Den Rahmen bildet das Mies-van-der-Rohe-Stipendium, das die Stadt Krefeld seit 1979 vergibt und das die Sparkasse Krefeld sponsert.


Beide Ausstellungen laufen bis zum 27. August. Sie sind geöffnet dienstags bis sonntags von 11-17 Uhr.

Hier geht es zur Bilderstrecke: Elmgreen&Dragset