1. Krefeld

Woody Allen für Jugendliche

Woody Allen für Jugendliche

Über Selbstmord im Internet-Zeitalter reflektiert das internationale Erfolgsstück „Norway today“. Ist dies gelungen? Der Extra-Tipp besuchte die Premiere der Krefelder Inszenierung vom Stadttheater in der Fabrik Heeder.

„Norway today“ gilt als tragisches Schauspiel über den gemeinsamen Selbstmord zweier Jugendlicher. Regisseur Sascha Mey und seine jungen Darsteller Helen Wendt und Jonathan Hutter haben aus dem Stoff eine Komödie gemacht, die manches Lächeln und Lachen im Publikum provoziert. Und zwar zu Recht. Denn anders vermag die dürftige Textvorlage von Igor Bauersima kaum Wirkung zu entfalten.

Mey lässt den Abend mit einer Silhouetten-Darstellung hinter erleuchtetem Vorhang eröffnen. Das ist ein pfiffiger Einstieg, die ultramoderne Verabredung der beiden Protagonisten per Internet-Chat durch eine betont altertümliche Kunstform darzustellen.

Die beiden Jugendlichen spulen nun in schnodderiger Sprache ihr ganzes Repertoire an altersgemäßer Verwirrung ab. Das Begleitheft versucht, den Zuschauer auf die gewünschte Spur des Todesgedankens zu lenken. Doch die beiden Betroffenen auf der Bühne denken an alles mögliche, nur nicht an den Tod. Dazu sprechen sie viel zu viel über den unheimlichen Gevatter. Ihre Dialoge wirken eher als jugendtypisches Experimentieren mit unreifen Gedanken. Der Tonfall dabei erinnert - durchaus gekonnt - an die sprachlichen Kapriolen eines Woody Allen.

Die Klippe in Norwegen, von der sie sich stürzen wollen, hat Bühnenbildner Udo Hesse als Baugerüst konzipiert. Darin klettern Wendt und Hutter gelenkig herum, zuweilen begleitet von stimmungsvoller Pop-Musik. Regisseur Mey gelingen in diesem Arrangement anrührende Bilder, von denen eine leuchtende Polarnacht das sicherlich eindrucksvollste ist. Beleg, dass man keinen großen Aufwand braucht, um Gefühle zu bewegen.

Diesen Beweis treten vor allem Helen Wendt und Jonathan Hutter an. Die beiden Jungschauspieler haben bereits als Romeo und Julia bewiesen, dass sie Klasse-Format haben. Diesmal können sie sich vom Text nicht tragen lassen, sondern müssen eher gegen den Text anspielen. Das ist mühsam, aber ihnen gelingt es.

Dennoch kommt das Stück nicht über das Schema eines Teeny-Films hinaus: erst wird gestritten, dann verliebt man sich ineinander und schließlich gibt es auch noch verschämten Pubertär-Sex. Jugendliche Zuschauer werden sich wiederfinden, die älteren an vergangene Tage erinnern.

Der überraschende Schluss ist dank Wendts und Hutters Schauspielkunst durchaus eindrucksvoll, passt aber nicht wirklich zur Anlage der Inszenierung.

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Das Premierenpublikum in der Fabrik Heeder spendete kräftigen Applaus. Ein vergnüglicher Abend war es trotz einiger Längen allemal.

(City Anzeigenblatt Krefeld II)