1. Krefeld

Alten NS-Seilschaften auf der Spur

Wie ein Krimi : Alten Seilschaften auf der Spur

Ein Krefelder Historienkrimi ist Ausgangspunkt einer ersten Grundlegung textiler NS-Forschung.

Woher eigentlich stammen die Kunstwerke, die in unseren Museen ausgestellt werden?

Bei den meisten Stücken ist dies klar. Ankaufbelege geben darüber Auskunft. Aber immer wieder stoßen die Museumsleiter auf Besitztümer ohne Belege. Besonders problematisch ist dies bei Stücken, die in der NS-Zeit beschafft wurden. Zuweilen stammen sie aus illegalen Käufen oder sogar Rauben.Die Herkunft wurde dann mit Absicht verschleiert.

„Wir haben von unserem Haus aus einen Impuls zur Erforschung gegeben“, freut sich Dr. Annette Schieck, Direktorin des Deutschen Textilmuseums in Linn. Zusammen mit dem Krefelder Historiker Dirk Senger hat sie ein Buch herausgegeben, das sich mit der Forschung nach Textilien beschäftigt, die während der NS-Zeit unter zweifelhaften Bedingungen von Museen angeschafft wurden.

„Dieses Buch ist das erste seiner Art“, betont Dirk Senger. Denn die sogenannte „Provenienz-Forschung“ (Herkunftsforschung) ist noch ein ganz junger Zweig der Wissenschaft. Auf dem Gebiet der Textilien steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen.

Dass sich ausgerechnet das Linner Textilmuseum mit dem Thema befasst, ist kein Zufall. Dr. Schieck stieß vor wenigen Jahren im Magazin auf eine merkwürdige Sammlung von 900 osteuropäischen Trachten. Die Herkunft war rätselhaft.

Die Suche danach entwickelte sich zum historischen Krimi: Im Kriegsjahr 1943 war die Sammlung nach Krefeld verkauft worden. Doch von wem, in welchem Auftrag und wer hat sie finanziert? Der offizielle Händler, ein verarmter Maler namens Paul Prött, scheint nur ein Mittelsmann gewesen zu sein. Steckte etwa eine Seilschaft aus Nazis dahinter?

Dieser Verdacht ist durch einen neuen Fund verstärkt worden. „Wir fanden eine Akte aus den frühen 60er Jahren“, erklärt Dirk Senger.

Daraus geht hervor, dass Paul Prött in den 60ern der Stadt Krefeld eine zweite Trachtensammlung anbot. Doch Krefeld kaufte nicht. „Wo diese zweite Sammlung verblieben ist, wissen wir nicht“, ergänzt Dr. Schieck.

Dafür aber offenbart die Akte mehrere Namen, denen Senger und Schieck nachgingen. Ihre Träger entpuppten sich als Persönlichkeiten des Wirtschafts- und Wissenschaftslebens, die teils mit NS-Vergangenheit „belastet“ waren. Offenbar gehörte Paul Prött zu einem undurchsichtigen Netzwerk, das wohl auch für die Lieferung der ersten Sammlung 1943 gesorgt hatte.

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Zumindest trat zutage, dass der Leiter der damaligen Krefelder Fachschule für Textilindustrie bereits im Jahre 1941 in Berlin über den Ankauf der Prött-Sammlung verhandelt hatte. Auch in den 60er Jahren war er in die Verhandlungen über den Ankauf der zweiten Sammlung einbezogen.

„Wir sind bei der Erforschung ein Stück weitergekommen, können aber keine letzten Antworten geben“, zieht Dr. Schieck ein Fazit über den merkwürdigen Fall Prött. Die Erforschung dieses und vieler anderer seltsamer Fälle bleibt der Zukunft vorbehalten.

Mit dem neuen Buch „Textile Erwerbungen und Sammlungsstrategien europäischer Museen in der NS-Zeit“ haben interessierte Forscher nun aber eine Basis, von der aus sie weiter arbeiten können.

Das Buch beinhaltet Aufsätze verschiedener Wissenschaftler, die sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven nähern. Eine Analyse der Krefelder Trachtensammlung ist übrigens auch darunter.

Das 167 Seiten starke Buch (Nünnerich-Asmus-Verlag) enthält farbige Abbildungen und ein Namensregister. Es ist im Textilmuseum Linn am Andreasmarkt sowie im Buchhandel für 25 Euro erhältlich. In diesen Tagen wird es auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.