1. Krefeld

Topfit: Schuhmacher seit 66 Jahren

Topfit: Schuhmacher seit 66 Jahren

Günter Hansen wird diesen April 83 Jahre alt. Täglich arbeitet er noch stundenweise in seiner Schuhmacherwerkstatt in Fischeln. Mit 22 Jahren war er der jüngste Schuhmachermeister in Deutschland.

Öffnet man die Tür zur Werkstatt empfängt einen die Duftmischung aus Kleber und Leder. Im Mittelpunkt steht die große Schleifmaschine, die noch genau wie vor 47 Jahren nach Fertigstellung des Hauses mit Werkstatt, an ihrem Platz steht. Streicht der Schuhmachermeister mit seinen Händen Stoff glatt, dann knistert es. Ganz rau sind die Hände des Fischelners. Seit 66 Jahren (inklusive sechs Jahre Lehr- und Gesellenzeit) fertigen diese Hände Schuhe an. Ziehen neue Nähte, tauschen Reisverschlüsse an Stiefeln aus, kleben Absätze und Sohlen.

Mit 22 Jahren war Günter Hansen der jüngste Schuhmachermeister in Deutschland und unter seinen 47 Mitschülern der beste. Das war 1954. Dabei wollte er einst Polizist werden, doch mit seinen 1,65 Meter war er zu klein für den Polizeidienst. „Dabei hatte ich viel Energie und Kraft“, versichert er.

Die Energie und Kraft besitzt er auch heute noch. Fünfmal die Woche fährt der noch 82-Jährige ins Willicher Schwimmbad „De Bütt“ und zieht seine Bahnen. Bei Wind und Wetter schwimmt er bis 400 Meter draußen.

Der gebürtige Xantener hatte es in den ersten Jahren in Fischeln schwer. Nach seiner Gesellenzeit in Moers übernahm er eine Werkstatt unweit von seiner jetzigen. Doch hatte er kaum Kunden. „Ich hatte eine Werkstatt von einem strammen Nazi übernommen – was ich nicht wusste“, erzählt Hansen. Die Menschen hatten diese Werkstatt schon lange gemieden. Die Tatsache, dass er aus Xanten stammte, erschwerte die Arbeit zusätzlich. „Das ist keiner von uns, hieß es im Dorf“, erinnert Hansen und klingt nach all den Jahren noch leicht bitter. Während seiner Zeit in einem Orthopädiebetrieb in Moers, arbeitete er sich schnell hoch und besuchte auf Anraten seines Chefs die Meisterschule. Noch heute steht das Paar Schuhe, die Hansen als Meisterstück anfertigte, in seiner Werkstatt: schwarzes Wildleder mit aufgesetztem Eidechsenleder an den Seiten und auf der Zunge, mit Lackledersohlen. Die Schuhe hat noch nie jemand getragen.

Im Laufe der Jahre hat der Schuhmachermeister 26 Modelle entworfen, die er maßgeschneidert anfertigen kann. „Das macht aber heute kaum noch jemand, und es ist auch fast unbezahlbar“, sagt der Fachmann. Etwa 1200 Euro müsste Hansen für ein Paar maßgeschneiderte Schuhe aus seinem Ein-Mann-Betrieb nehmen. Hansen erzählt: „Heutzutage ist das doch so, dass viele Leute billige Schuhe kaufen und sie wegwerfen, wenn sie kaputt gehen. Es war lange so, dass Leute, die im Beruf angemessen gekleidet sein mussten, noch Wert auf das Schuhwerk legten. Doch sobald sie in Rente sind, kaufen sie sich ihre paar Freizeitschuhe und gut ist“, erklärt Günter Hansen. Auch wenn es noch einige Kunden gibt, die Wert auf gutes Schuhwerk legen, geht der Trend weiterhin zum Billig-Schuh. Seit 15 Jahren ist dieser Einbruch in der Branche zu merken. Man riet damals den Schuhmachern, sie sollen ihr Angebot erweitern; Taschen-Reparatur und Schlosserei. „Ich bin Schuhmacher, kein Schlösser“, entgegnete Hansen. Viele Jahre hat die Werkstatt die vierköpfige Familie ernährt. Heute arbeitet der Senior noch drei, vier Stunden am Tag. Ans Aufhören mit bald 83 Jahren denkt der Meister seines Faches nicht. „Warum sollte ich? Ich bin doch noch topfit“, schmunzelt Hansen.

(City Anzeigenblatt Krefeld II)