1. Krefeld

Schauspieler auf Stimmenfang

Schauspieler auf Stimmenfang

Ein turbulentes Musical feierte am Samstag seine Krefelder Premiere. Der StadtSpiegel war dabei.

Friedrich Schiller beschäftigte sich einst mit der Grundsatzfrage: kann man ein Theaterstück schaffen, dass nur durch die äußere Form besticht und auf Inhalt weitgehend verzichtet?

Die Frage wurde am Samstagabend im Krefelder Stadttheater beantwortet: Ja, das ist möglich. Das englische Musical „Das Geheimnis des Edwin Drood“ begeisterte das Publikum durch seine aufregende Überschreitung formaler Grenzen, während der Inhalt bewusst opernhaft-läppisch bleibt.

Es ist eine Kriminalgeschichte im Gewand der Schauerromantik des 19. Jahrhunderts: Ein junger Mann ist mit Freunden bei seinem Horror-Onkel zum Essen eingeladen und verschwindet spurlos.

Diesen Krimi spielt das Ensemble aber nicht einfach „durch“. Statt dessen spielt es sich selber als Schauspieltruppe und lässt sich dabei beobachten, wie es den Krimi in Szene setzt. So werden auch nach und nach alle Schauspieler und Sänger mit ihren echten zivilen Namen eigens dem Publikum vorgestellt. Das besorgt ein eloquenter Conférencier, der als Erzähler die einzelnen Szenen in einen Zusammenhang stellt und schon mal selber eine Rolle übernimmt, weil der eigentlich vorgesehene Schauspieler angeblich ausgefallen ist.

Dieses „Spiel im Spiel“ wird durch eine knallbunte Mischung verschiedener Darstellungsarten unterfüttert: es gibt gefühlvolle Arien, schmissige Choreinlagen, fetzige Tänze, Traumsequenzen mit Ballettunterstützung und viel Wortwitz. Es ist ein schriller Bilderbogen mit fortlaufenden Überraschungen, dargeboten von einem geradezu feurig aufgekratzten Ensemble.

Sogar in der Pause flanieren die Schauspieler in ihren Kostümen durchs Foyer, um mit den Zuschauern zu diskutieren, wer wohl der Mörder sei. Denn darüber entscheidet das Publikum im zweiten Akt per Abstimmung (scheinbar) selbst; und wird damit zum Akteur der Bühnenwirklichkeit.

Maßgeblicher zur Bühnenwirklichkeit gehört aber das volle Orchester unter Leitung von Andreas Fellner. Es ist im Hintergrund auf der Bühne platziert und gibt dem Spiel seinen kräftigen Takt vor. Nicht zuletzt die Orchesterleistung und die tollen Melodien ließen den Premierenabend zu einem beifallumrauschten Triumph werden.

(StadtSpiegel)