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38. Duisburger Akzente thematisieren Umbrüche: Die Brache mittendrin als Spielplatz

38. Duisburger Akzente thematisieren Umbrüche : Die Brache mittendrin als Spielplatz

Mindestens so wichtig wie das Motto ist bei den Akzenten mittlerweile die Frage: Wo spielen sie?

Die Revitalisierung der Altstadt, die die "Heimat"-Akzente vor zwei Jahren anschieben wollten, lässt noch auf sich warten. In Ruhrort wiederum, Hauptschauplatz der letztjährigen Hafengeburtstags- wie auch der Kulturhauptstadt-Akzente 2010, ist der Aufbruch durch Kultur oder jedenfalls seine Behauptung quasi verstetigt. "Man weiß, dass Ruhrort das Kreativquartier dieser Stadt ist", sagt Festivalchef Frank Jebavy. Das Lokal Harmonie ist auch in diesem Jahr wieder mit mehreren Veranstaltungen dabei, ansonsten bespielen die 38. Akzente den Hafenstadtteil "nur" mit zwei Ausstellungen im Binnenschifffahrtsmuseum sowie ein paar Vorträgen und Lesungen (HFN-Mann Klaus Grospietsch am 19.3. im Hübi!).

Ein Hauptschauplatz der Akzente 2017 ist eine 28.000 Quadratmeter große Brache mitten in der Stadt: das Mercatorviertel bzw. der Platz, auf dem es entstehen soll. Denn noch ist hierfür kein Planungsrecht geschaffen, erklärt Bernd Wortmeyer, Chef der GEBAG, die das Gelände erschließen will. "Wir wollen das Gelände aufbereiten für Investoren, bauen aber auch selbst." Und bis es so weit ist, soll das künftige Mercatorviertel schon mal bespielt werden. Erst zum Karneval, dann zu den Akzenten, weshalb die GEBAG neben der Sparkasse Duisburg diesmal Premiumsponsor ist. "Wir wollen hier den Städtebau sichtbar machen", so Wortmeyer. "Eine (Brach-)Fläche in dieser Lage mit so viel Potenzial gibt es in keiner anderen Stadt in NRW."

Mit den Umbrüchen in der Stadtlandschaft kommt ein ganz neues Thema ins Spiel. "Als wir uns vor über einem Jahr das Motto 'Umbrüche' ausgedacht hatten, haben wir nicht ans Mercatorviertel gedacht, sondern an Migration, an die Umbrüche insbesondere in Nordafrika, auch an das Luther-Jahr natürlich", sagt Frank Jebavy. Jetzt ist Stadtplanung nicht nur durch das Festivalzelt auf dem Mercatorviertel-Gelände ein Thema. Gleich mehrere Veranstaltungen rekapitulieren den (Teil-) Abriss Bruckhausens: "Beispiel oder Machtspiel?" fragt eine Ausstellung in der Liebfrauenkirche, in der es auch einen Filmabend mit "Raulins Revier" gibt.

Im rund 425 Zuschauer fassenden Festivalzelt (das schon bei den World Games zum Einsatz kam) werden die 38. Akzente am 10. März eröffnet mit "Stella — Das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm" von der Neuköllner Oper. Das "deutsche Singspiel" zwischen Avantgarde und Revue erzählt von einer Frau, die 1943 wegen ihrer jüdischen Herkunft verhaftet wird und, um sich und ihre Eltern zu retten, für die Gestapo in Berlin versteckte Juden aufspürt und ausliefert. Am 12. März tritt im Festzelt Dirk Stermann auf. Der gebürtige Duisburger landete 1988 auf der Flucht vor dem Numerus Clausus in Wien, wurde dort Moderator, Kabarettist und eine Berühmtheit, und das soll er mit und getreu seinem aktuellen Roman "Der Junge bekommt das Gute zuletzt" jetzt auch hier werden. Duisburg mit Wiener Schmäh — das gab's bisher nur bei der Filmwoche ... Während Thommie und Klaus diesmal nicht dabei sind, dürfen Kai Magnus Sting und Jupp Goetz im "Zirkuszelt" ihren dritten "Heymatabend" feiern. Kai Schumacher zeichnet am 16. März mit seinem Minimal Music-Programm einen der letzten großen Umbrüche in der "ernsten" Musik des 20. Jahrhunderts nach.

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Axel Hacke und Ilija Trojanow sind die "Promis" im Literaturprogramm. In der Sparte bildende Kunst dürfte die Ausstellung der Fleischkleid-Schöpferin Jana Sterbak im Lehmbruckmuseum Publikum ziehen. Arbeiten von Absolventen der Kunstakademie in Duisburgs Partnerstadt Vilnius werden im Stadtarchiv gezeigt. Außerdem fällt auf dem Mercatorviertel-Gelände der Startschuss für das Fotobuch-Projekt "Welt im Umbruch": Im "Café Courage" in einem Container werden Umbruch-Fotos für eine große Ausstellung im Sommer gesammelt.

"Umbrüche" ist ein genuin dramatisches Thema, deshalb schlägt das Herz dieser Akzente mehr denn je im Theater: mit Heiner Müllers "Auftrag", Lessings "Nathan der Weise", Kleists "Penthesilea" und "Diese Geschichte von Ihnen". Ob die Akzente selbst vor einem Umbruch stehen, ist nach wie vor offen. In der zweiten Jahreshälfte will Kulturdezernent Thomas Krützberg seinen Vorschlag zur Neuordnung der Duisburger Festivallandschaft vorlegen — vielleicht ja mit Trennung von Theatertreffen und Richtung Sommer verschobenen Akzenten. 2018 finden beide noch zusammen statt. Und erstmal natürlich jetzt, vom 10. bis 26. März.

(Niederrhein Verlag GmbH)