1. Krefeld

"Unterwerfung" im Theater Krefeld: Vision: Das Ende des alten Europa

"Unterwerfung" im Theater Krefeld : Vision: Das Ende des alten Europa

Der umstrittene Anti-Islamisierungs-Roman "Unterwerfung" ist Grundlage einer Bühnenfassung des Stadttheaters. Am Samstag war Premiere.Die Schwäche des Stücks offenbart sich rasch. Es fehlt das Entscheidende, das man von einem Schauspiel erwartet: das Spiel.

Statt dessen müssen die Schauspieler mit Mikrofon vor dem Mund die Handlung erzählen.

Das kommt davon, wenn ein Stück in Wahrheit gar kein Schauspiel ist. Dramaturg Thomas Blockhaus hat einen Roman umgearbeitet. So etwas ist immer gefährlich und geht in der Regel auf Kosten der Theatralik.
Umso erstaunlicher, dass der Abend trotzdem überaus spannend wurde, streckenweise sogar faszinierend.

Liegt es am brisanten Inhalt? Der französische Autor Michel Houellebecq hat in seinem heiß diskutierten Roman "Unterwerfung” eine Zukunftsvision Frankreichs entworfen: bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2023 gewinnt der Kandidat einer neu gegründeten Muslimpartei. Anpassung der Bürger an den Islam ist die Folge. Sichtbares Zeichen auf der Bühne: aus dem Vorraum einer Kirche mit Weihnachtsbaum wird eine Moschee mit Gebetsteppichen.

Oder liegt es an der originellen Umsetzung des Stoffs? Regisseur Matthias Gehrt teilt die Rolle des Erzählers auf nicht weniger als acht Schauspieler auf. Dadurch wird sichtbar, dass die Haltung des Erzählers keine individuelle, sondern eine kollektive ist.

Seine seelische Leere, sein Zynismus und Desinteresse an Politik spiegelt eine europäische Gesellschaft wider, der das Selbstwertgefühl abhanden gekommen ist und deshalb zur "Unterwerfung” bereit scheint.

Entscheidend zum Gelingen des Abends aber dürfte das Zusammenwirken zweier Komponenten sein: ein provozierender Text, der vor intellektuellen Impulsen geradezu sprüht; und eine Unzahl von Miniszenen, in denen jeder Schauspieler seinen Text eben nicht nur erzählt, sondern mit seinem ganzen Körper darstellt.

Diese Abfolgen sind stets überraschend, immer wieder aufregend, fesseln in jeder Minute die Aufmerksamkeit der Zuschauer.
Das ist nicht zuletzt den Schauspielern selbst zu danken, die aus ihren nicht einfachen, weil so abstrakten Rollen das Letzte herausholen. So wird die Inszenierung nie langweilig, obgleich das "Spiel” eher den Kopf als die Sinne anspricht.

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Bei der Premiere am Samstagabend war die Meinung des Publikums über die Aufführung allerdings sichtbar geteilt: Überall im Parkett taten sich Lücken auf, weil manche Besucher in der Pause enttäuscht gegangen waren. Der überwiegende Teil aber blieb gern und spendete am Ende begeistert Applaus.