1. Krefeld

Kempen als Paradebeispiel für die IHK

Kempen als Paradebeispiel für die IHK

Kempen erzielt überdurchschnittlich hohe Steuereinnahmen und hat in den vergangenen Jahren günstigere Jahresergebnisse als vergleichbare Kommunen erzielt. Dennoch addierten sich die Jahresfehlbeträge der Jahre 2009 bis 2014 auf mehr als 5 Millionen Euro.

So lauten wesentliche Ergebnisse einer Studie des Rheinisch-Westfälischen-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zur Lage der Kommunalfinanzen in der Region.

Das Institut hat im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein die Haushaltssituation der Städte und Gemeinden des IHK-Bezirks mit der Finanzsituation von Kommunen ähnlicher Größe und Struktur verglichen. Zur Vergleichsgruppe von Kempen gehören zum Beispiel Haan, Heinsberg und Wesseling.

Das RWI sieht in allen Kommunen des IHK-Bezirks Mittlerer Niederrhein einen erheblichen Konsolidierungsbedarf. Die Jahresfehlbeträge lagen im Jahr 2015 voraussichtlich bei insgesamt 140 Millionen Euro. "Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Momentaufnahme, sondern um ein strukturelles Problem", erklärt Prof. Dr. Roland Döhrn, Leiter des Kompetenzbereichs "Wachstum, Konjunktur, Öffentliche Finanzen" beim RWI. Das zeigt nach Analyse der RWI-Forscher insbesondere die Entwicklung der Kassenkredite. Die Pro-Kopf-Verschuldung durch Kassenkredite stieg von 1.139 Euro im Jahr 2010 auf 1.380 Euro im Jahr 2014 und damit jährlich um 4,9 Prozent. "Die Verschuldungsdynamik war damit zwar geringer als im Landesdurchschnitt, aber der Konsolidierungsbedarf ist absolut größer geworden", argumentiert Döhrn. Das Problem betrifft insbesondere die kreisfreien Städte Krefeld und Mönchengladbach.

Aus Sicht der Wirtschaft ist diese Entwicklung besorgniserregend: "Für die regionale Wirtschaft sind Kommunen mit einer soliden Finanzlage sehr wichtig", sagt Friedrich Wilhelm Scholz, Vizepräsident der IHK Mittlerer Niederrhein. "Schließlich können Städte und Gemeinden mit defizitären Haushalten und hohen Schulden nicht die notwendigen Investitionen für die Zukunft finanzieren."

Die wesentliche Ursache für die strukturellen Haushaltsprobleme sieht das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut in der Entwicklung der Sozialleistungen. "Am Mittleren Niederrhein stiegen die Auszahlungen im Sozialbereich von 2010 bis 2014 um 14,1 Prozent. Der Anteil dieser Ausgaben am Gesamtetat liegt damit bei gut 20 Prozent", so Döhrn.

Durch die Flüchtlingsmigration würden sich die Ausgaben weiter erhöhen und die Haushalte der Städte und Gemeinden weiter unter Druck geraten. "Neben den Transfers aus dem Asylbewerberleistungsgesetz kommen weitere Kosten auf die Kommunen zu, zum Beispiel für den Wohnraum", erklärt Döhrn. Die IHK appelliert daher an die Bundes- und Landespolitik, ihren Pflichten nachzukommen: "Natürlich sind vor allem die Kommunen dafür verantwortlich, ihre Haushalte zu konsolidieren", erklärt Scholz. "Aber mit Blick auf die hohen Sozialkosten gelingt dies nur, wenn das Konnexitätsprinzip stärkere Anwendung findet. Derjenige, der ein Gesetz beschließt, muss auch finanziell dafür aufkommen."

Die Stadt Kempen ist aus Sicht der IHK ein gutes Beispiel dafür, dass sich hinsichtlich der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen etwas ändern muss. "Die Kommune verfügt über hohe Steuereinnahmen, erreicht bessere Jahresergebnisse als die Städte ähnlicher Größe und Struktur und hat eine günstige Sozialstruktur. Trotzdem gelingt der Haushaltsausgleich nicht", bilanziert IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz.

Gleichwohl zeigt die RWI-Analyse, dass die Probleme mitunter auch hausgemacht sind. "Die Primärausgaben je Einwohner sind höher als in allen anderen 16 Kommunen in der Vergleichsgruppe", erklärt RWI-Experte Döhrn. Insbesondere die Personalausgaben sind auf einem hohen Niveau.

"Uns besorgt, dass immer mehr Kommunen versuchen, über höhere Steuern ihre Haushalte auszugleichen", erklärt Steinmetz. Kempen hat seit 2010 die Gewerbesteuer um 7,3 Prozent und die Grundsteuer um 10 Prozent erhöht. "Die Region hat in den vergangenen Jahren durch die Vielzahl an Steuererhöhungen an Attraktivität eingebüßt", so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Von 1991 bis 2014 wurde die Gewerbesteuer am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt um 9,5 Prozent erhöht, die Grundsteuer um 33 Prozent.

Eine weitere Erkenntnis der Analyse: Nordrhein-Westfalen hat von allen Flächenländern die höchsten Gewerbesteuer- und Grundsteuerhebesätze. Aus Sicht der IHK können Steuererhöhungen zwar kurzfristig für Liquidität sorgen, langfristig haben sie aber eine negative Wirkung. "Ansiedlungsinteressierte Unternehmen entscheiden sich für Standorte mit niedrigen Steuersätzen", erklärt Steinmetz. "Dauerhaft höhere Steuereinnahmen erzielen Städte, wenn sie eine vorausschauende Flächenpolitik betreiben und günstige Voraussetzungen für Ansiedlungen schaffen."

Die Studie steht zum Download unter www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/7054 bereit.