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Kommunale Versorger in Nöten: Explodierende Energiepreise

Kommunale Versorger in Nöten : Explodierende Energiepreise

Die Preise für Strom und Gas haben sich 2021 vervielfacht und bisher nie gekannte Höchststände erreicht. Eine Beruhigung scheint vorerst nicht in Sicht, von einer Rückkehr zum Normalmaß ganz zu schweigen. Was machen die kommunalen Versorger?

Kai-Gerhard Steinbrich fällt für die derzeitige Entwicklung der Energiepreise kein anderes Wort ein: „Explosion - ja, es ist tatsächlich so dramatisch.“ Der zweite Geschäftsführer der ENNI Energie & Umwelt Niederrhein GmbH ist beim kommunalen Versorger u. a. für die Energiebeschaffung zuständig und hat so etwas noch nie erlebt: „Die Preise sind so hoch wie noch nie.“ Der Strompreis, der sich in normalen Zeiten um die 50 Euro pro Megawattstunde bewegt, stieg an der Börse im Dezember 2021 zeitweise auf über 300 Euro; beim Gas ist es ähnlich: Aus gewöhnlich etwa 20 Euro wurden im Dezember 2021 zeitweise 140 Euro pro Megawattstunde; allein seit Mitte November vervielfachten sich die Börsenhandelspreise um rund 270 Prozent.

Ein Problem daran: Zu dem Zeitpunkt hatten kommunale Versorger wie Enni oder die Stadtwerke Duisburg ihren Bestandskunden längst die Preise für 2022 zugesagt, dank massiv gesunkener EEG-Umlage sogar teils mit Vergünstigungen beim Strom und, gemessen an der weiteren Entwicklung, vergleichsweise moderaten Steigerungen beim Gas.

Das zweite Problem: Die explodierenden Strom- und Gaspreise führten zu zahlreichen Insolvenzen bei den sogenannten Discount- oder Billiganbietern. 40 waren es deutschlandweit, die im Vorfeld der rasanten Preisentwicklung nicht die notwendigen Mengen für ihre Kunden beschafft haben, sondern vergeblich auf ein Sinken der Börsenhadelspreise warteten - Steinbrich: „Die haben gezockt!“ - und die jetzt in die Insolvenz gegangen sind oder ihren Kunden die Verträge gekündigt haben. Als kommunale Grundversorger müssen Enni und Stadtwerke deren Kunden in ihrem Gebiet aufnehmen. Am Niederrhein sind es vor allem Kunden der Anbieter „Stromio“ und „Gas.de“. 2.300 neue, unerwartete Kunden sind das alleine bei der Enni, den Stadtwerken Duisburg sind mehr als 9.900 Haushalte in die Grundversorgung gefallen. Kunden, für die jetzt teuer Strom und Gas nachgekauft werden muss; Steinbrich spricht von zusätzlichen Beschaffungskosten von mehreren Millionen Euro. Die im November zugesagten Preise in der Grundversorgung ließen sich so nicht halten. „Unsere Bestandskunden dürfen nicht bestraft werden. Sie dürfen nicht das Risiko für die Discount-Anbieter tragen, bei denen sich die Geschäftsmodelle jetzt als nicht tragfähig erweisen“, so Stadtwerke-Vorstandsvorsitzender Marcus Wittig. Bei der Enni sieht man das genauso.

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Nur die Lösungen sind unterschiedlich: Die Stadtwerke Duisburg haben für neue Kunden einen zweiten Grundversorgungstarif eingerichtet, um die Preise für die Bestandskunden stabil zu halten. Der neue Tarif orientiert sich an den aktuellen Marktpreisen, wird also erheblich teurer.

Dieses Vorgehen hält man bei der Enni für rechtlich problematisch, bei zwei Tarifen in der Grundversorgung sei mit Klagen zu rechnen. Bei der Enni bleibt‘s bei einem Grundversorgungstarif - der ab März erheblich teurer wird. Ein Durchschnittshaushalt zahlt dann für Strom rund 200 und für Gas sogar über 1.800 Euro mehr pro Jahr. Den Bestandskunden wird aber ein neuer Tarif angeboten: „Basistreue Strom/Gas“. In diesem Tarif bekommen die Kunden dann die für 2022 im November zugesagten Preise, auch die übrigen Vertragsbestandteile bleiben gleich. Rund 40.000 Haushalte sind betroffen. Sie werden angeschrieben, sollten dann das neue Angebot annehmen und an die Enni zurücksenden.