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Enni und die Energiepreise: „Letzte Chance“

Enni und die Energiepreise : „Letzte Chance“

Erst war es der Neustart nach Corona, jetzt sind es die Unwägbarkeiten im Gefolge des Kriegs in der Ukraine: Die explodierenden Energiepreise stellen Versorger wie die Enni vor ungeahnte Herausforderungen. Dreimal bereits musste in diesem Jahr der Tarif in der Grundversorgung für Strom und Gas angepasst werden. Bestandskunden sollten deshalb unbedingt auf den Sondertarif „Basistreue“ wechseln, rät die Enni.

„Normalerweise spricht man so nicht mit Kunden“, gibt Enni-Pressesprecher Herbert Hornung unumwunden zu. Aber eine solche Preisexplosion wie derzeit an den Energiemärkten haben weder er noch Enni-Geschäftsführer Kai Gerhard Steinbrich bisher erlebt. Dass bisher ein Drittel der Bestandskunden beim Strom und die Hälfte der Bestandskunden beim Gas dem Aufruf der Enni gefolgt und aus der Grundversorgung in den neuen Sondertarif „Basistreue“ gewechselt sind, sei für eine Kampagne ein ungeheurer Erfolg, so Steinbrich und Hornung. Das heißt aber auch: 22.000 Stromkunden und 2.000 Gasbezieher in Moers und Neukirchen-Vluyn sind trotz des Angebots in der Grundversorgung geblieben. Die aber ist zum 1. März drastisch angestiegen und könnte es im Laufe des Jahres noch weiter tun. Deshalb bietet die Enni jetzt noch einmal allen Bestandskunden an, in einen neuen „Basistreue“-Tarif zu wechseln. Der ist nichts anderes als eine Festpreisgarantie bis Ende des Jahres.

Auf einen durchschnittlichen Haushalt berechnet, kommt man mit dem neuen Basistreue-Tarif beim Strom ab dem 1. Juni auf 1.297 Euro, während der Tarif der Grundversorgung - den auch die rund 1.600 Kunden insolventer Alternativanbieter zahlen müssen - zum 1. Juni auf Jahreskosten von 1.570 Euro steigt.

Noch drastischer sieht es beim Gas aus. Zum 1. März schon haben sich die Jahreskosten für einen Durchschnittshaushalt auf 3.727 Euro mehr als verdoppelt - fast 2.200 Euro mehr. „Für viele Familien ist das der Jahresurlaub“, sagt Steinbrich. Gaskunden, die jetzt noch in den neuen Basistreue-Tarif wechseln, zahlen dagegen über 50 Prozent weniger - 1.757 Euro Jahreskosten sind es für einen Durchschnittshaushalt. Und der Basistreue-Tarif ist bis Ende des Jahres verbindlich zugesagt, während der Grundversorgungstarif noch weiter steigen könnte. In der Grundversorgung seien die Energieversorger nach dem Grundsatz der „Billigkeit“ vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Energiekosten entsprechend den Marktpreisen an die Kunden weiterzugeben. Das geschah in den vergangenen Jahren wegen der geringen Preisschwankungen nur einmal jährlich, während aktuell kaum noch zu kalkulieren sei. Wie sich die Preise etwa entwickeln, wenn Putin die Gaslieferung stoppt oder, was ja aus humanitären Gründen zu wünschen wäre, so Steinbrich, wenn Deutschland die Gaseinfuhr aus Russland einstellt, das sei kaum abzusehen.

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Bei Fixprodukten wie den Basistreue-Tarifen dagegen gilt der einmal zugesagte Festpreis, für Mehrkosten durch teurere Einkaufspreise zahlt dann gegebenenfalls die Enni drauf. Deshalb noch einmal Steinbrichs Aufruf an die möglicherweise unsicheren oder generell unterschreibunwilligen 24.000 Bestandskunden: „Letzte Chance!“

„Stehen an einem Scheidepunkt“

„Wir stehen an einem Scheidepunkt, was die Energieversorgung in Europa angeht“, sagt Kai Gerhard Steinbrich. Die bisher angezogene Handbremse bei der Umstellung auf erneuerbare Energien könnte sich jetzt lösen, hofft der Enni-Geschäftsführer.

Die aktuelle Situation sei schon dramatisch. Beim Krieg in der Ukraine könne man nur auf ein schnelles Ende hoffen. Bei den Energiepreisen ist für Steinbrich aber so oder so keine Entspannung in Sicht; spätestens im nächsten Jahr werde es für alle Haushalte und Unternehmen am Niederrhein spürbar teuerer.

Schon jetzt sei hier in der Region kaum Gas aus Russland in den Leitungen, erklärt Steinbrich; aus „historisch-technischen“ Gründen komme das Gas am Niederrhein vor allem aus Norwegen und als sogenanntes L-Gas aus den Niederlanden. Bei den Preisen seien regionale Versorger wie die Enni (und alle anderen auch) aber von den „virtuellen“ Börsenpreisen abhängig - und im Ernstfall davon, wem die Bundesnetzagentur wie viel Gas zuteilt.

„Da können wir nur reagieren“, so Steinbrich. Anders ist das beim Umstieg auf erneuerbare Energien: „Gerade am Niederrhein kann man viel machen“, sagt Steinbrich, verglichen etwa mit dem Platz für Windräder im Ruhrgebiet. Die Enni sei mit mehreren Projekten schon auf Kurs. Und biete zum Beispiel ihren Kunden Solardächer an. 130 davon habe die Enni im letzten Jahr auf Dächern in der Region angebracht - in der vorletzten Woche kamen allein 150 Anfragen danach. „Das Verständnis ist da“, sagt Steinbrich.