1. Moers Niederrhein

Fleischkleid und Abrissbirne

Fleischkleid und Abrissbirne

Was bleibt von den 38. Duisburger Akzenten, die am Sonntag zu Ende gehen? Auf jeden Fall drei sehenswerte Ausstellungen. Die werden nämlich noch länger gezeigt.

Mal abgesehen von dem Umbruch, in dem wir gerade stecken — Trump, Brexit, überall nur Rechtsradikale — und von dem keiner weiß, wo er hinführt, war der gewaltigste Umbruch der jüngeren Vergangenheit wohl der sogenannte Fall des Eisernen Vorhangs. "I was born in a country that no longer exists" ("Ich wurde geboren in einem Land, das es nicht mehr gibt"), mit diesem Zitat ist die Gruppenausstellung von Absolventen der Kunstakademie Vilnius überschrieben. Und irgendwie passt es zum sozialistischen Charme einiger der Bilder, dass die Ausstellung im Stadtarchiv am Karmelplatz gezeigt wird, nicht ganz leicht zugänglich, in der ersten Etage, den ehemaligen Räumen der Sammlung Königsberg. In nicht wenigen der Bilder hallt noch die Doktrin vom Sozialistischen Realismus nach, was durchaus auch sein Gutes hat, denn danach mussten Bilder (und Kunstwerke überhaupt) alltagsnah und "verständlich" sein.

 Jana Sterbak performt "Mask".
Jana Sterbak performt "Mask". Foto: Antje Sterner

Unmittelbar angesprochen bzw. wortwörtlich berührt wird man auch von den Kunstwerken der Tschechin Jana Sterbak, die das Lehmbruckmuseum zeigt. Das Kleid aus Fleisch (von Lady Gaga aufgetragen) macht nicht nur Veganern gemischte Gefühle. Nähert man sich anderen Arbeiten, werden sie per Lichtschranke eingeschaltet, ein Drahtkleid oder eine Krone unter Strom gesetzt, und es wird heiß. Darum, sich ins Gegenüber einzufühlen, geht es in den meisten Kunstwerken Sterbaks, und Lehmbruck-Direktorin Söke Dinkla nennt in ihrem Vorwort zum Katalog Empathie eine der wichtigsten Fähigkeiten angesichts persönlicher wie globaler Herausforderungen.

Wenig Empathie zeigten die "Schöpfer" des Grüngürtels Nord. (Nicht nur) Historikerin Katrin Gems findet, mit dem Abriss Bruckhausens hat die "Stadt Montan" ihr Gedächtnis amputiert. Was verloren ging, zeigt die Ausstellung "Bruckhausen — Beispiel oder Machtspiel?" in der Liebfrauenkirche. In Duisburgs jüngerer Geschichte sicherlich der gewaltigste, gewalttätigste Umbruch.

"I was born ...", Stadtarchiv, bis 9. April

Jana Sterbak: "Life Size", Lehmbruckmuseum, bis 11. Junil

"Bruckhausen — Beispiel oder Machtspiel", Liebfrauenkirche, bis 18. April

(Niederrhein Verlag GmbH)