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Bundesverkehrsminister beim Schiffermahl der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort: Festessen der Fahrensmänner

Bundesverkehrsminister beim Schiffermahl der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort : Festessen der Fahrensmänner

Schifffahrt und Industrieproduktion sind am Niederrhein traditionell eng miteinander verflochten. Um die guten Kontakte zu pflegen und aktuelle Herausforderungen zu besprechen, treffen sich Verlader und Schiffer einmal im Jahr zum traditionellen Schiffermahl der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort. Ehrengast diesmal: Bundesverkehrsminister Volker Wissing.

Die Schifferbörse in Ruhrort ist gerade mal wieder im Dornröschenschlaf. Wo sich einst Prominenz von Johannes Rau bis Götz George die Klinke in die Hand drückte und zu den legendären WDR-Hafenkonzerten Schlagerstars von Roberto Blanco bis Maria und Margot Hellwig auftraten, befinden sich zurzeit nur noch Büros. Das Goldene Buch der Schifferbörse Ruhrort ist älter als das der Stadt Duisburg und wird heute im nahen Binnenschifffahrtsmuseum aufbewahrt. Erster Eintrag: Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria, die 1902 dem prunkvollen Neubau einen Besuch abstatteten. Den später weltberühmten Romancier Joseph Roth trieb 1931 als Reporter „die eitle Lust dabeizusein“ in die Schifferbörse, wo er schnell Vertrauen fasste zu den „erfreulich geröteten Gesichtern der holländischen und niederrheinischen Händler und Schiffer“, denn: „Es scheinen zugängliche Männer zu sein.“

Die Männer sind immer noch in der Mehrzahl in der Schifferbörse – jetzt nicht im Gebäude, da vielleicht auch, sondern im gleichnamigen, seit 2012 eingetragenen Verein, der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort, die als Gründungsjahr das der Einweihung des Gebäudes angibt: Um einheitliche Frachtraten auszuhandeln und Schiffer und Händler runter von der Straße zu holen, wurde 1901 die Schifferbörse errichtet, für die es in den Häfen Europas kein Vorbild gab. Eine Sachverständigenkommission der Schifferbörse hat 1908 erstmals die Handelsbräuche in der Rheinschifffahrt verbindlich formuliert und seither immer wieder aktualisiert.

Frachtraten werden längst im Internet ausgehandelt, aber es gibt noch was zu besprechen. Dafür ist die Schifferbörse nach wie vor „eine im europäischen Schifffahrtsverkehr einmalige Institution der Wirtschaft“, wie es bei der Niederrheinischen IHK Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg heißt, der die Geschäftsführung der Schifferbörse obliegt, aktuell durch IHK-Geschäftsführer Ocke Hamann. Nur, dass die Schifferbörse jetzt nicht mehr in der Schifferbörse netzwerken kann, sondern sich im Gründungsort Ruhrort andere repräsentative Räume suchen muss. Das jüngste Schiffermahl, seit 2013 krönender Abschluss der jährlichen Börsenversammlung, fand wie schon zuletzt vor Corona direkt gegenüber dem Haniel-Stammsitz im ehemaligen evangelischen Gemeindehaus Ruhrort statt, einem neobyzantinischen Koloss, der heute für Konzerte und private Veranstaltungen genutzt wird.

So mussten die niederrheinischen Schifffahrtslobbyisten ohne den Blick auf Rhein und Hafen auskommen (sie hätten natürlich nachher noch zum „Hübi“ gehen können). Die Wasserstraßen haben sie aber trotzdem immer fest im Blick. Wie angeblich auch die Politik: Noch in jedem Koalitionsvertrag hat sich ein Bekenntnis zur Binnenschifffahrt gefunden. Doch es passiert wenig. Der Rhein gilt als Europas wichtigste Wasserstraße, etwa 80 Prozent des deutschen Güterverkehrs über das Binnenschiff finden auf dem Rhein statt. Und mehr als die Hälfte aller per Schiff transportierten Güter werden in NRW umgeschlagen, der größte Teil davon am Niederrhein in den Duisburg-Ruhrorter Häfen. Seit Jahren fordern Schifferbörse und Niederrhein-IHK eine Vertiefung der Fahrrinne, um die wirtschaftliche Befahrbarkeit des Rheins zu gewährleisten. Schleusen und Brücken sind landauf, landab marode. Was tun, Herr Minister?

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Anfang des Jahres holten sich die Schifferbörse-Chefs 300.000 Euro für ein Qualifizierungsprogramm beim frisch ernannten Bundesverkehrsminister Volker Wissing ab, jetzt war Wissing als Ehrengast nach Ruhrort zum Schiffermahl gekommen, um zu erklären, dass die Wasserstraßen für den Industriestandort Deutschland wichtig sind. Das dürfte den rund 130 geladenen Gästen aus der Schifffahrt allerdings schon bekannt gewesen sein.

„Voraussetzung für die Stärkung des Gütertransports auf der Wasserstraße ist vor allem eine zuverlässige Infrastruktur“, gab Wissing immerhin zu. Das gelte „für Schleusen und Wehre an den staugeregelten Wasserstraßen genauso wie für eine ausreichende Fahrrinnentiefe am frei fließenden Rhein“. Immerhin gibt’s mehr Geld. Wissing: „Dass wir in Folge der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses die Möglichkeit haben, die Bundeswasserstraßen mit bis zu 250 Millionen Euro aus anderen Bereichen des Einzelplans zu verstärken, ist ein wirklich gutes Signal in diesen schwierigen Zeiten mit begrenzten Haushaltsmitteln.“ Er wolle sich weiter dafür einsetzen, dass die Finanzlinie langfristig wieder deutlich steigt, „denn für mich ist klar: Eine umwelt- und klimafreundliche Logistik ist ohne die Binnenschifffahrt nicht möglich“.

Die Branche jedenfalls habe ihre Hausaufgaben gemacht, stellte Frank Wittig klar. Der 54-jährige Schiffsausrüster ist Vizepräsident der Niederrhein-IHK und Vorsitzender der Schifferbörse. In einem Neubau zwischen Bunker- und Werfthafen in Ruhrort führt Wittig ein mehr als 120 Jahre altes Familienunternehmen fort. Die Lieferketten hätten trotz Niedrigwasser in diesem Sommer aufrechterhalten werden können, so Wittig. Er würdigte den Einsatz der Verlader, Partikuliere und Reedereien am Niederrhein: Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation sowie der besonderen Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg und das Rekordniedrigwasser im vergangenen Sommer – der für den Niederrhein ausschlaggebende Pegel Ruhrort zeigte einmal nur noch 1,51 Meter an - hätten sie einen wichtigen Beitrag für die Energiesicherheit in Deutschland geleistet. Die Binnenschifffahrt sei Teil der Lösung für einen nachhaltigen Umbau des Verkehrssektors, so Wittig: „Dafür braucht sie aber dringend mehr Unterstützung der Politik. Planungsprozesse und wichtige Bauvorhaben wie die Rheinvertiefung müssen unbedingt beschleunigt werden.“

Fürs nächste Schiffermahl muss sich Frank Wittig möglicherweise beschleunigt nach einem neuen Gebäude umsehen. Die Essener Fakt AG, die das Ruhrorter Gemeindehaus 2016 von Haniel übernahm, ist pleite.