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St. Tönis: Innenstadt ist noch lange nicht barrierefrei

St. Tönis : Innenstadt ist noch lange nicht barrierefrei

Wie kommen Rollstuhlfahrer und blinden Menschen im St. Töniser Ortskern zurecht? Offenbar gibt es noch viel zu verbessern.

Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Rupert-Neudeck-Gesamtschule hatten im Rahmen ihres Projektkurses zum Thema „Barrierefreiheit“ Bürgermeister Uwe Leuchtenberg zu einem Spaziergang eingeladen. Dieser zeigte sich sehr angetan vom Engagement der jungen Leute: „Dass sich Jugendliche so mit dem Thema auseinandersetzen, kann man nicht hoch genug anrechnen.“

Mit dabei war auch Roman Wittpahl (39) für das Inklusionsprojekt „Viersen-für-alle“ der Lebenshilfe Kreis Viersen. Ein erstes Kompliment gab es direkt für den Bürgerbusverein: „Der Fahrplan hängt in der richtigen Höhe und die Schriftgröße ist ausreichend groß“, so der Rollstuhlfahrer. Schwieriger, wenn nicht gar alleine unmöglich, war es für ihn, die Wenders-Kurve in die Fußgängerzone zu queren. Genauso ergeht es dem Abiturienten Daniel (21), der blind ist. Wie sähe für ihn eine barrierefreie Querung aus? „Das wäre mittels einer Blindenampel möglich, die akustische Signale aussendet“, so der 21-Jährige. Ein „Auffindesignal“ mit einem langsamen Klopfen ermöglicht es, den Ampelmast zu finden. Sobald die Ampel auf Grün schaltet, schickt sie ein akustisches Signal in schneller Abfolge als Freigabe für die Überquerung.

Für beide Experten erweist sich die St. Töniser Fußgängerzone als wahre Buckelpiste, die weder mit dem Rollstuhl noch mit dem Blindenstock gut zu bewältigen ist. Ein Pluspunkt: Ein Geschäft hat eine spezielle Klingel angebracht, damit sich sehbehinderte Menschen oder aber Menschen im Rollstuhl bemerkbar machen können, um Unterstützung zu erhalten. „Rund 35 Klingeln sind an den Werbering im vergangenen Jahr verteilt worden“, erzählt André Sole-Bergers, Inklusionsmanager bei der Lebenshilfe. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, die Klingeln zugänglich und auch von Zeit zu Zeit mit neuen Batterien funktionstüchtig zu halten.

Weiterer Aspekt in Sachen Barrierefreiheit: der Gang zur Toilette. Im historischen Rathaus ist eine Behindertentoilette vorhanden. Diese aber muss über einen Aufzug erreicht werden, sie liegt auf der zweiten Etage des Gebäudes.

„Positiv überrascht waren die Schülerinnen und Schüler, dass der Bürgermeister prompt geantwortet und zugesagt hat“, so Lehrerin Sarah Vujnovac. „Die Erfahrung, selber etwas verändern zu können, ist für den weiteren Lebensweg enorm wichtig“. Und das soll jetzt fortgeführt werden: In einer nächsten Stunde des Projektkurses wird der Bürgermeister die Instrumente in der Gemeindeordnung erläutern, die direkte Anträge aus der Bürgerschaft ermöglichen.