1. Krefeld

Schock für Schüler

Verkehrserziehung anders : Schock für Schüler

Über 14.000 Krefelder Jugendliche rüttelte die Verkehrspolizei mit einem Schock-Kurs wach. Es könnte sich gelohnt haben.

Martin Pasch war 15 Jahre, als sein Leben endete. Bei einem Unfall mit dem Auto, das ein Freund lenkte. Das war 2009. Heute sitzen seine Eltern auf dem Podium im Seidenweberhaus. Dorothea und Hans Theo Pasch berichten, wie es war, als sie zur Unfallstelle gerufen wurden. Wie Ärzte versuchten, den schwer verletzten Sohn zu reanimieren. Wie sie irgendwann aufgeben mussten. Rund 800 Schüler des Krefelder Berufskollegs Vera Beckers hören den Eltern gebannt zu. Kein Mucks ist zu hören.


"Das ist heute unsere 100. Veranstaltung", erklärt Polizeipräsident Rainer Furth. Seit 2012 führt die Krefelder Verkehrspolizei die Aktion "Crash-Kurs" durch. "Unser Anliegen ist es nicht zu schocken", stellt Polizeirat Holger Klein klar, "wir wollen Betroffenheit erzeugen." Über die Gefühle, so hofft die Polizei, sind junge Leute nachhaltig für Botschaften zu erreichen: "Haltet euch an der Verkehrsregeln, trinkt als Fahrer keinen Alkohol, kein Handy am Steuer", mahnt Holger Klein.


Im Nebenraum sitzen eine Handvoll Jugendliche an einzelnen Tischen. Manche haben verweinte Augen. Seelsorger und Pädagogen kümmern sich um sie. Die Schüler hatten die Schilderungen der Polizisten, Feuerwehrleute und Ärzte nicht mehr aushalten können, die vor den Eltern Pasch gesprochen hatten. Gesprochen über schlimme Verkehrsunfälle mit Jugendlichen, die die Regeln nicht beachtet haben. Die Geschichten wirken so eindringlich, weil sie authentisch sind. Alles wirklich passiert. Das ist anders als Fernsehen oder Kino.


Ob es nützt? Schwer zu sagen. "Der Erfolg von Vorbeugung ist nicht messbar", bleibt Polizeipräsident Furth ganz nüchtern. Messbar sind nur die Unfallzahlen. Und die sind in Krefeld rückläufig. 2012 sind 135 junge Erwachsene im Straßenverkehr verunglückt. 2017 waren es 112 junge Erwachsene. Der tiefste Wert seit 2006.
"Unsere Zielgruppe sind junge Leute zwischen 17 und 24 Jahren", erläutert Holger Klein die Aufklärungsaktion. Denn diese Fahrer von Motorrädern oder Autos sind erfahrungsgemäß unbekümmerter als ältere Fahrer und nehmen leichter Risiken in Kauf. Ein zuweilen tödlicher Fehler.


Dorothea und Hans Theo Pasch machen bei der Polizeiaktion mit, weil sie helfen wollen, anderen Jugendlichen und Eltern ihr eigenes Schicksal zu ersparen. "Das verdient unseren Respekt", unterstreicht Polizeipräsident Furth und bezieht auch die jungen Polizisten und Feuerwehrleute mit ein, die von ihren schrecklichen Erlebnissen berichten, die ihnen noch lange nachhängen. Für das Ehepaar Pasch sind die Auftritte vor Jugendlichen eine Form der Trauerbewältigung. "Darüber zu anderen Jugendlichen zu sprechen, hat auch mir geholfen", sagt Theo Pasch.