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Exklusiv-Interview mit Oberbürgermeister Frank Meyer : „Ich bin ein Ultra der Stadt Krefeld“

Exklusiv-Interview mit Oberbürgermeister Frank Meyer : „Ich bin ein Ultra der Stadt Krefeld“

Der Extra-Tipp traf Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer (SPD) zum exklusiven Jahresabschluss-Interview. Der Verwaltungschef blickt zurück auf bewegende Monate und wagt einen Ausblick auf 2021.

Angesichts der Vielzahl negativer Ereignisse in 2020: Sind Sie froh, wenn das Jahr vorbei ist?

Meyer Ja. Schon die Neujahresnacht war die furchtbarste, die ich jemals erlebt habe. Wenn es in der Nachkriegszeit ein Jahr gegeben hat, das Krefeld nicht gebraucht hätte, dann 2020. Wobei es sicherlich für viele Menschen auch schöne Aspekte gab. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich mich persönlich über das Ergebnis bei der Kommunalwahl gefreut habe. Aber für Krefeld als Stadt, angefangen beim schrecklichen Zoo-Brand, der Pandemie und allem, was da noch dranhängt, kann 2020 gerne schnell zu Ende gehen. Ich freue mich einfach auf 2021.

Wobei die Coronapandemie und ihre Auswirkungen ja nicht mit dem Jahreswechsel verschwinden...

Meyer Das ist richtig, aber ich sehe durch die Impfperspektive ein Licht am Ende des Tunnels. Durch unseren Krisenstab geht derzeit ein richtiger Ruck, weil man zum ersten Mal ganz konkret auf ein Ende dieser Krise hinarbeiten kann. Wir haben bislang immer nur reaktiv vor der Pandemie gestanden. Wir konnten immer nur die Folgen des Virus bearbeiten und die weitere Verbreitung so gut wie möglich verhindern. Durch das Impfen haben wir erstmals eine echte Perspektive. Und das ist auch gut. Es ist nicht gesund und vernünftig, über Monate permanent im Krisenmodus zu sein. Es kommt jetzt ein Gefühl auf, dass sich was ändert.

Sie sprachen den andauernden Krisenmodus an. Wie zufrieden sind Sie denn mit dem Krefelder Krisenmanagement?

Meyer Nach meiner Auffassung sind wir da ganz gut durchgekommen. In den wesentlichen Fragen haben wir ein gutes Teamwork hingelegt. Die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung und mit den einzelnen Institutionen hat meist gut funktioniert. Wir hatten hier keine großen Krisenherde, uns ist da nichts entglitten. Auch für uns alle war es die erste Pandemie. Von daher kann man sicherlich sagen, dass es ganz ordentlich funktioniert hat.

Und wie bewerten Sie Ihre Rolle als Krisenmanager?

Meyer (lacht)  Na ja, eine Note werde ich mir nicht geben. Nur so viel: Ich habe mich bewusst zu Beginn dafür entschieden, den Krisenstab selbst zu leiten. Dort mussten und müssen Entscheidungen getroffen werden, die meist nicht delegiert werden können. Ich konnte und wollte mich da nicht aus der Verantwortung nehmen. Wir wollten und haben von Beginn an sehr offen kommuniziert, tägliche Pressekonferenzen organisiert, um die Öffentlichkeit zu informieren. Das kam, glaub ich, bei den meisten Menschen ganz gut an, wenn wir mal die Verschwörungstheoretiker und Dauernörgler beiseite lassen.

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Welche Schwachstellen hat die Pandemie denn aufgezeigt?

Meyer  Man merkt, dass Krefeld 25 Jahre in der Haushaltskonsolidierung feststeckte. Und da musste in vielen Bereichen gespart werden. So zum Beispiel in der Gesundheitsverwaltung. Es herrscht kein Mangel, aber eine Pandemie zu stemmen, das ist was anderes. Wir hatten das Glück, dass wir herausragende Mitarbeiter haben, die Nächte und Wochenenden durchgearbeitet haben. Wir hätten ansonsten große Probleme bekommen. Zum anderen ist da der Bereich Digitalisierung, in dem wir unglaublich viel aufholen mussten.

 

Apropos Digitalisierung. Der Wahlkampf verlief dann ja auch anders als ursprünglich geplant.

Meyer Wir hatten bereits seit Sommer 2019 alles ganz schön vorbereitet - und dann kam Corona. Wir haben dann alles über den Haufen geworfen und neue Ideen entwickelt. Letztlich haben wir nur die Form der Präsentation verändert. Aber ja, es war für alle anders und ein Stück weit auch seltsam. Es fehlte die direkte Kommunikation. Und keiner wusste, wie sehr sich das auf die Wahl auswirkt. So einen Wahlkampf brauche ich nicht nochmal.

Vor der Wahl kam es zum Zerwürfnis mit dem langjährigen Partner CDU. Die „Causa Zielke“.

MeyerEs wäre vorstellbar gewesen, Beate Zielke wiederzuwählen, wenn man sich über ein Gesamttableau verständigt hätte. Ich hätte mir eine weitere Zusammenarbeit gut vorstellen können. Aber die Diskussion, die dann stattgefunden hat, fand ich unwürdig. Wenn die CDU jetzt sagt, sie möchte auf keinen Fall mehr mit der SPD zusammenarbeiten, dann muss man das so hinnehmen. Ganz so furchtbar kann es aber auch nicht sein, denn es wurden alle Personalfragen nach der Wahl gemeinsam beschlossen. So wurde beispielsweise Frau Jensen (OB-Kandidatin der CDU; Anmerkung der Redaktion) zur Ersten Bürgermeisterin gewählt.

Nun gibt es ein Bündnis der SPD mit den Grünen im Stadtrat.

Meyer In vielen Themenbereichen gibt es eine starke Nähe der beiden Parteien. Aber nicht in allen. Es geht darum, Kompromisse zu finden und nicht betonkopfartig seine Belange durchzubringen.

Bei der Abstimmung zur Mehrkostenübernahme der Grotenburgsanierung hat das Bündnis nicht gehalten.

MeyerEines vorweg: Ich glaube, dass der Rat besser eine andere Entscheidung getroffen hätte - dafür habe ich auch geworben. Aber jetzt muss man damit leben. Was mich enttäuscht hat, ist, dass mindestens zwei Personen anders abgestimmt haben, als ihre Fraktionsvorsitzenden es vorher erklärt haben. Man sollte immer mit offenem Visier sagen, was man denkt. Solche Spielchen mag ich nicht. Von jedem Ratsmitglied erwarte ich, dass man dazu steht, wie man abstimmt. Alles andere ist feige.

Bleiben wir beim Thema Grotenburg. Wie geht es weiter?

Meyer Wir werden zeitnah Gespräche mit dem KFC führen und der neu gegründeten Arbeitsgruppe Vorschläge vorlegen, wie es weitergehen kann. Fakt ist: Der Verein muss Teil der Lösung sein. Denn im Rat gibt es ja Bedenken, wie es dort weitergeht. Man muss um Vertrauen werben. Das ist eine Menge Arbeit, die der KFC da leisten muss. Aber es ist nicht unmöglich.

Wer ist denn ihr Ansprechpartner beim KFC?

Meyer Mir wurde mitgeteilt, dass Niko Weinhardt als Geschäftsführer zuständig sei. Wir haben ihn angeschrieben und einen Termin vereinbart.

Drei Tage vor der Abstimmung im Rat gab Mikhail Ponomarev bekannt, dass er sich spätestens zum Saisonende zurückziehen wird. Wieso dieser Zeitpunkt?

Meyer Ich kann es nicht sagen. Ich habe es auch nur aus den Medien erfahren und war überrascht. Besser wäre es auf jeden Fall gewesen, wenn direkt gesagt worden wäre, wer übernimmt. Dies hätte die Diskussion sicherlich in eine andere Richtung bringen können. Das finanzielle Risiko der Stadt ist davon abhängig, ob ein Mietvertrag mit jemandem zustande kommt, der diesen auch erfüllen kann.

Sie sagen, der KFC muss Teil der Lösung sein. Was heißt das konkret?

Meyer Es gibt viele kleine Themen, die lösbar sind. Das Hauptthema ist sicherlich der Mietvertrag. Dieser muss nicht nur mit Leben, sondern auch mit Euro und Cent gefüllt werden. Fakt ist: Mikhail Ponomarev hat viel Geld in den KFC gesteckt. Ohne sein Engagement stünde der Verein nicht in der Dritten Liga. Dort steht er allerdings sehr fragil. Man darf nicht so tun, als gebe es  keineProbleme. Die zahlreichen Gerichtsverfahren rund um den KFC, die oft mit der Einhaltung von Verträgen zu tun haben, tragen nicht dazu bei, dass man leichten Herzens einen Vertrag über vier Jahre abschließt.

 

Der „schwarze Peter“ in dem „Spiel“ bleibt trotzdem immer an Ihnen hängen.

Meyer  Ich fühle mich nicht als „schwarzer Peter“. Was mich allerdingswirklich ärgert, ist, wenn ich Kommentare von Menschen lese, die ich von der Tribüne kenne. Sie müssten eigentlich wissen, wo ich stehe. Wobei auch klar ist, dass ich nicht meinen Verstand und meine Vernunft abgebe, wenn es um den KFC geht. Der KFC spielt in dieser Stadt eine wichtige Rolle, aber nicht die einzige. Als Ultra kann man dies so sehen, aber als Oberbürgermeister bin ichgewissermaßen  Ultra der Stadt Krefeld und muss die Interessen von 235 000 Bürgern vertreten.

Das nächste Bauprojekt: die neue Veranstaltungshalle. Wie ist der Stand der Dinge?

Meyer Wir brauchen eine vernünftige vertragliche Gestaltung mit dem Interessenten. Für uns als Stadt ist das eine Riesenchance, weil da eine ganze Kette von Veränderungen dranhängt. Die Entscheidung für einen anderen Standort der Veranstaltungshalle ist Voraussetzung für den Abriss des Seidenweberhauses. Dieser wiederum ist die Voraussetzung für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes auf dem Theaterplatz. Das ist die wesentlichste städtebauliche Maßnahme der Krefelder Innenstadt für die nächsten zehn Jahre.

Blicken wir zunächst einmal aufs nächste Jahr. Vor welchen Herausforderungen steht Krefeld?

Meyer  Losgelöst von Corona kommt einiges auf uns zu: Wir stehen vor der gigantischen Aufgabe des Klimaschutzes. Wir müssen Kita-Plätze schaffen, Schulen und Straßen sanieren, das Mobilitätskonzept umsetzen. Die Liste ist lang. Und neben den kleinen und großen Projekten, müssen wir uns auch fragen: Wie soll sich Krefeld für die Menschen in Zukunft anfühlen? Die Pandemie hat uns doch gezeigt, wie wichtig Orte der Begegnung und des Miteinanders sind. Das Stadtbad Neusser Straße, das Stadtwaldhaus, der Großmarkt, das Werftgelände in Uerdingen – ich möchte daran arbeiten, dass diese besonderen Orte in Krefeld erhalten bleiben und neu entstehen können.

Was wünschen Sie sich persönlich für 2021?

Meyer  Wenn wir alles getan haben, um Krefeld durch die Krise zu bringen, möchte ich einfach mal wieder ein paar Leute in den Arm nehmen und mich bedanken. Und dann wäre ich froh, wenn ich mal ein wenig Urlaub machen könnte. Wenn das gelingt, dann bin ich sehr zufrieden.