1. Krefeld

Günter Grass - eine Ära

Günter Grass - eine Ära

Mit Günter Grass ist auch die literarische Tradition der alten Bundesrepublik gestorben.

Aus diesem Impetus heraus schrieb er auch den Zweitroman „Hundejahre“, der wie die Blechtrommel in der verlorenen Heimat um Danzig spielte. Mit beiden Romanen begründete er einen beispiellosen Ruhm im In- und Ausland. Das lag an den Themen, aber auch an der eigentümlichen Sprache von Grass: eine hämmernde Prosa, die in überbordender Sprachfülle an den Barock erinnert.

Ebenso wie Heinrich Böll verstand sich Grass als Begleiter des Aufbaus einer nachhaltigen Demokratie in Westdeutschland. Er engagierte sich für die SPD, befreundete sich mit Willy Brandt und setzte seinen Ruhm ganz gezielt im Wahlkampf ein, als er sogar eine Wählerinitiative zugunsten von Brandt gründete.

Sein Engagement war umstritten. Einerseits wurde der Einsatz für die junge Demokratie begrüßt. Andererseits nervte er viele Zeitgenossen durch politische Einseitigkeit und zuweilen schwer erträgliche Rechthaberei. Diese Eigenschaften ließen ihn auch in der Debatte um die Aufstellung amerikanischer Atom-Raketen in den 80er Jahren zu einer der umstrittensten Redeführern werden.

Literarisch widmete sich Grass auch anderen Themen. In den 70er Jahren wurde sein Roman „Der Butt“ euphorisch gefeiert. Vor dem Hintergrund der Fantastik eines Märchens behandelt er darin den Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter.

Der Roman „Die Rättin“ Anfang der 80er Jahre ließ eine atomare Apokalypse aufblitzen, konnte aber viele Kritiker künstlerisch nicht mehr so überzeugen. Ähnlich erging es seinem Roman zur Wiedervereinigung „Ein weites Feld“. Darin ahmt er den Stil Theodor Fontanes nach, was bei den meisten Kritikern auf Ablehnung stieß.

Dabei war Grass kein ausschließlicher Romancier. Seine Lyrik füllt dicke Bände und auch als Bildhauer - sein eigentlicher Beruf - machte er sich einen Namen.

Politisch bekam man den Eindruck, das mit dem Ende der „deutschen Frage“, die stets das Leib- und -Magen-Thema von Grass gewesen ist, auch seine Wirkungsmächtigkeit rapide abnahm. Der Zustand Deutschlands als Nation in zwei Staaten war über die Jahrzehnte hinweg der Nabel seines Denkens und Schreibens. Seine Hauptthese lautete: Deutschland ist nur noch als Kulturnation einig. Als sich mit der Wiedervereinigung das Thema erledigt hatte, schien auch der Denker Grass nicht mehr so stark gefragt zu sein.

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Seine geistigen Mitstreiter wie Böll, Lenz und Jens sind vor ihm gestorben. Grass war der letzte der „alten Garde“ des Geisteslebens. Seine letzten Bücher sind literarisierte Memoiren.

Der Heimatvertriebe hat sich nach langen Jahren in Berlin schließlich in Lübeck angesiedelt. Dort steht das von ihm selbst gegründete Günter-Grass-Haus, ein Museum für sein Werk. Beziehungsreich grenzt es an den Garten des Willy-Brandt-Hauses. Und nicht zufällig dürfte es in der Stadt angesiedelt worden sein, in der ein anderer Nobelpreisträger sein Stammhaus hat: Thomas Mann. Gemeinsam erinnern die drei Namen an die Ablehnung des Nazi-Staates und den politischen wie kulturellen Neuanfang.

(StadtSpiegel)