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Krefeld/Gelduba: Die weitgereiste Römer-Ratte

Krefeld/Gelduba : Die weitgereiste Römer-Ratte

Eine höchst aufschlussreiche Episode aus dem römischen Kastell Gelduba wird nun im Archäologischen Museum Krefeld vorgestellt: Und zwar anhand von antiken Ratten-Knochen.

Vor rund 1700 Jahren kletterte eine Ratte von einem Schiff auf niederrheinischen Boden. Und diese besondere Ratte lässt das Herz von Archäologen höher schlagen. Der Rattenfund von Krefeld ist ein wichtiger Hinweis auf das alte Gelduba als römischer Fernhandelsplatz am Rhein.
Mit den Römern kamen im 1. Jahrhundert von Italien auch Hausratten nach Nordeuropa.

Die Wanderratte verbreitete sich hier jedoch erst im 14. Jahrhundert. Auf diesen Wanderratten lebten Flöhe, die im Spätmittelalter einst die Pest durch einen von ihnen übertragenen Erreger in Europa verbreitet haben. Die nun ausgestellten Oberschenkelknochen im Welterbe-Info-Point stammen von einer Wanderratte aus dem Orient und wurden in einem Kastellbrunnen entdeckt.

Der Knochenfund einer Wanderratte in Gelduba ist in Nordeuropa bislang der einzige aus römischer Zeit. Wie kam also eine Wanderratte aus dem Orient in ein römisches Militärlager am Niederrhein?

Eine erste Spur der Erklärung führt in das frühe Mittelalter: Es existieren nur wenige Nachweise von Wanderratten aus dieser Periode in Hafenstädten wie York (England) oder Schleswig. Die Tiere haben sich von dort nicht weiter ausgebreitet. Ihr Vorkommen blieb isoliert. Wanderratten gelangten wohl im 10. Jahrhundert in der Bilge, dem untersten Raum eines Schiffs, über das Mittelmeer und den Atlantik in die Wikingerhäfen.

Die Nordmänner liefen häufig Konstantinopel (Istanbul) an, um sich dort als Söldner zu verdingen und Handel zu treiben. Der Handel mit der Mittelmeerregion scheint auch der Ursprungsort der Wanderratte aus Gelduba zu sein.

Ihre Entdeckung deutet auf eine Schiffsverbindung zwischen dem Ort am Rhein und dem Vorderen Orient bereits in der Spätantike. Der ungewöhnliche Seeweg über das Mittelmeer und den Atlantik war vor allem wegen der Stürme gefährlich.

Dieses Wagnis einzugehen, muss sich für die Händler gelohnt haben. Die Römer bevorzugten für ihre Truppen hingegen den sichereren Warentransport von Marseille über Flüsse und Land in den Norden ihres Reiches. Es müssen also außergewöhnliche, wertvolle Waren, Produkte, Pflanzen oder Tiere gewesen sein, die Händler aus dem Osten des Römischen Reichs an den Niederrhein gelockt haben.

Die Händler aus dem Osten landeten mit ihren Schiffen im Rheinhafen von Gelduba. Die Wanderratte muss von einem dieser Schiffe im 3. oder 4. Jahrhundert auf die Kaimauer, den Hang hinauf in das Kastell gehuscht sein. Der Weg der Händler führte in den Ort mit seinen Kauf- und Handelshäusern.

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Dort wollten sie vermutlich begehrte Waren aus Germanien erwerben, wie tierische Bestandteile für den medizinischen und kosmetischen Gebrauch. Die heimischen Händler besorgten solche Produkte in den rechtsrheinischen Orten entlang des Hellwegs, der auf der anderen Rheinseite endete. Die Handelsroute führte weit in das germanische Stammesgebiet, damals als "Land der Barbaren" verschrien.

Von dort brachten sie unter anderem junge Bären und Federn von See- und Steinadlern mit. Die Bären sollten in Arenen bei Tierhatzen auftreten, die Federn dienten der Zierde. Die Händler aus dem Osten brachen mit ihrem vollgepackten Schiff irgendwann wieder auf. Die Wanderratte aus dem Orient blieb in Gelduba und endete in einem Brunnen.

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