1. Krefeld

Über geplatzte Träume und den Wandel der Aufgaben: Asyl: Interview mit Flüchtlings-Koordinator

Über geplatzte Träume und den Wandel der Aufgaben : Asyl: Interview mit Flüchtlings-Koordinator

Schaut Dr. Hansgeorg Rehbein aus dem Fenster seines Büros, fällt sein Blick über den Rathausplatz direkt auf seine ehemalige Wirkungsstätte. Seit Dezember 2015 ist der ehemalige VHS-Direktor nun Krefelds Flüchtlingskoordinator.

Statt den Ruhestand zu genießen, hat der 70-Jährige wieder vollauf zu tun. Seine Hauptaufgaben: Koordination der freiwilligen Helfer und Vermittlung zwischen ihnen und der Stadtverwaltung.

Herr Dr. Rehbein, wie viele Krefelder Bürger haben sich seit Ende 2015 als ehrenamtliche Helfer für Flüchtlinge bei Ihnen gemeldet?
Rehbein: Wir verfügen jetzt über eine Datenbank mit rund 1000 Personen. Viele Hundert davon sind von Anfang an als Helfer aktiv.

Wie kommen die ehrenamtlichen Helfer zum Einsatz?
Rehbein: Anfangs gingen hilfsbereite Bürger einfach in die Flüchtlingsunterkünfte, was natürlich zu Konflikten führte. Wir organisierten mit Hilfe von Bürgervereinen, Kirchen und anderen Einrichtungen runde Tische in den Stadtteilen. Die Freiwilligen luden wir dazu ein. So können sie nun nah an ihrem Wohnort konkrete Aufgaben übernehmen.

Was leisten die Helfer?
Rehbein: Die Bürger haben entscheidend mitgeholfen, in den ersten Monaten die größte Not der Flüchtlinge zu lindern. Wichtig ist jetzt die Sprachvermittlung. Wir haben eigens ein Lehrbuch angeschafft, das speziell für Flüchtlinge konzipiert ist. Es wird in allen Stadtteilen gleichermaßen angewandt. Das ist von Vorteil, wenn ein Flüchtling die Unterkunft wechselt.

Was steht an zweiter Stelle?
Rehbein: Hilfe in Alltagssituationen. Als die Flüchtlinge ankamen, wussten viele nicht, wie man für die Straßenbahn eine Fahrkarte löst. So kam es zu Schwarzfahrten. Wir haben dann zusammen mit der SWK Übungsfahrten durchgeführt. Um den Flüchtlingen Kosten zu ersparen, hatten wir einen Aufruf erlassen, Fahrräder zu spenden. So hat heute fast jeder Flüchtling in Krefeld ein Fahrrad. Doch anfangs fuhren manche bei Rot über die Ampel. Sie kannten keine Verkehrsregeln. Deshalb führten wir Verkehrserziehungen durch.

Haben sich die Aufgaben gewandelt im Lauf der Zeit?
Rehbein: In Krefeld kommen kaum noch weitere Flüchtlinge an. Die Erstversorgung mit dem Nötigsten ist gelungen und weitgehend abgeschlossen. Die Asylbewerber kennen sich jetzt in Krefeld schon gut aus.

  • Die guten Seelen des FC Neukirchen-Vluyn:
    Die guten Seelen des FC Neukirchen-Vluyn : Ernst und Sabine Menzenbach sind „Ehrenamtler des Monats“
  • Neue KBK-App : Mehr Service und ein „Spielplatz-Finder“
  • Peter Draisaitl ist neuer Cheftrainer der
    Freitagabend erstes Spiel von Draisaitl : „Krefeld hat Tradition. Hier schlummert großes Potenzial“

Es werden also nicht mehr so viele Helfer benötigt?
Rehbein: Doch. Die Hilfe verlagert sich. Nach wie vor spielen der Spracherwerb, jetzt aber vor allem berufliche Orientierung und Ausbildung die entscheidende Role. Auch dabei helfen Ehrenamtler.

Wie schätzen Sie die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Krefeld ein?
Rehbein: Dass wir hier keine Anschläge und keine Demonstrationen gegen Flüchtlinge hatten, ist nicht zuletzt dem Engagement der Ehrenamtler zu verdanken. Sie haben in die Bevölkerung hinein als Multiplikatoren gewirkt.

Haben die vielen Fälle von Kriminalität und Missbrauch staatlicher Leistungen die Ehrenamtler nicht frustiert?
Rehbein: Wir können differenzieren. Es wäre unrealistisch zu glauben, dass mit den Flüchtlingsströmen nicht auch Kriminelle ins Land gekommen sind. Unsere Arbeit wird dadurch aber nicht weniger wichtig.

Welchen Schwierigkeiten begegnen die Helfer?
Rehbein: Manche kulturellen Unterschiede führen zu Problemen. So warteten Ehrenamtler, die Deutsch unterrichten, in der Zeit des Ramadans oft vergeblich auf ihre Schüler. Da mussten wir den Flüchtlingen klar machen, dass sie mit einer solchen Verhaltensweise in unserem Arbeitsleben keinen Fuß fassen können.

Auf welche Art Frust stoßen Sie bei den Flüchtlingen?
Rehbein: Viele haben sich Illusionen gemacht. Sie hatten die Hoffnung, schnell Arbeit und Wohnung zu finden und Geld zu verdienen. Nun sind so manche Träume an der Realität zerplatzt. Bis ein Migrant wirklich in den Arbeitsmarkt integriert ist, können Jahre vergehen.

Wie reagieren Flüchtlinge darauf?
Rehbein: Die Enttäuschung ist groß. Einige scheinen resigniert zu haben. Mein Eindruck aus vielen Gesprächen ist aber, dass die meisten Flüchtlinge hoch motiviert und bereit sind, den langen beschwerlichen Weg der Integration zu gehen.

In welchen Fällen müssen Sie zwischen Ehrenamtlern und Verwaltung vermitteln?
Rehbein: Das ist sehr unterschiedlich. Manche Helfer traten gegenüber den Ämtern übereifrig auf und wollten Vorteile für ihre jeweiligen Schützlinge herausschlagen. Da muss man darauf hinweisen, dass es Regeln gibt, die für alle gleich gelten.