1. Krefeld

Moltke-Schularchiv übergeben: Klassenbücher aus der Zeit der Prügelstrafe

Moltke-Schularchiv übergeben : Klassenbücher aus der Zeit der Prügelstrafe

Das Gymnasium am Moltkeplatz hat dem Stadtarchiv Krefeld sein Schularchiv übergeben. Archivleiter Dr. Olaf Richter und Schulleiter Dr. Udo Rademacher haben nun den sogenannten Hinterlegungsvertrag unterschrieben.

Das Schularchiv besteht aus zwei Teilen. Der eine war bereits durch Mitarbeiter des Stadtarchivs erschlossen worden, lag aber bis Ende 2017 in der Schule. Er umfasst rund 34 laufende Meter Archivgut aus der Schulverwaltung von 1800 bis 1975. Drei Dokumentenkartons entsprechen einem Archivmeter. Beim zweiten Teil handelt sich dabei um Abiturklausuren aus den Jahren 1977 bis 1997 sowie Verwaltungsakten bis zum Jahr 1987. Dieser Teil ist noch nicht bewertet und verzeichnet worden.

Bereits 2013 erhielt das Stadtarchiv vom Gymnasium handschriftliche Dokumente aus den Jahren 1715 bis 1787 über die Krefelder Lateinschule.

Die Schulgeschichte ist für Historiker und Heimatforscher ein spannendes Feld, weil sich unter anderem gesellschaftspolitische und soziale Aspekte mit derartigen Dokumenten untersuchen lassen. Der nun übernommene, kontinuierlich erhaltene Bestand umfasst das gesamte Spektrum des Schullebens: Verzeichnisse von Schülern, Personalunterlagen von Lehrern, Klassenbücher mit Eintragungen über Fehlverhalten, Sitzungsniederschriften, Dokumente über Feste sowie Reden und vieles mehr.

Auch Lerninhalte können anhand der Unterlagen rekonstruiert werden. Diese spiegeln das Interesse des Staates wider, was seine jungen Untertanen verinnerlichen sollten und wofür man sie später einsetzen wollte. Das gilt in besonderer Weise für das heute Gymnasium am Moltkeplatz, quasi Nachfolger der Lateinschule als höhere Stadtschule. "Es handelt sich um das älteste Real-Gymnasium im Rheinland", betont Richter die Bedeutung der Unterlagen für die Forschung.

Die 1819 eingerichtete Schule geht auf eine Stiftung des Krefelder Mennoniten Adam Wilhelm Scheuten (1753 bis 1801) zurück. Ihren ersten Standort hatte sie im Bereich der König- Ecke Burgstraße (heute Angerhausenstraße). Das heutige Gebäude am Moltkeplatz wurde 1915 bezogen.

Die stark protestantisch geprägte Einrichtung stand auch für Katholiken offen, der meist ärmeren, anteilmäßig größten Bevölkerungsgruppe in der Stadt. Als Realschule verfolgte sie den Zweck, ihre Schüler auf die Ausbildung als Kaufleute und Unternehmer vorzubereiten.

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Der Schulbetrieb begann mit 36 Kindern in drei Klassen, deren Zahl sich bis 1830 auf rund 100 Schüler erhöhte. Sie stammten zu gut 60 Prozent aus hiesigen Familien, die ein Gewerbe oder Handel betrieben. Die Absolventen führte ihre weitere Ausbildung zumeist auch in solche Firmen.

"Dem Wert, den dieser Bestand hat, können wir nicht gerecht werden", sagt Rademacher. Das fange schon mit den klimatischen Voraussetzungen für die Lagerung an, so der Schulleiter. Die Schulgemeinschaft habe sich deshalb für den Schritt der Übergabe entschieden.

Die nun im Stadtarchiv vorhandenen Unterlagen stehen der Forschung ebenso zur Verfügung wie unter anderem die Archive des Fichte-Gymnasiums und des Arndt-Gymnasium. Vergleichende Arbeiten sind nun im Haus an der Girmesgath möglich, ohne den Weg in die einzelnen Schulen gehen zu müssen. "Auch eine Verbindung mit anderen Beständen ist jetzt einfacher zu erarbeiten", so Richter.

Zunächst wird der übergebene Bestand im Archiv in säurefreie Kartons und Mappen umgelagert. Die Verzeichnung des noch nicht erschlossenen Teils soll folgen.