1. Krefeld

Michael Grosse liest Exilautor Albert Vigoleis Thelen: Ein Großer - aber in der Heimat vergessen

Michael Grosse liest Exilautor Albert Vigoleis Thelen : Ein Großer - aber in der Heimat vergessen

Eine Wiederentdeckung: Michael Grosse ruft den brillanten Exilroman eines Niederrheiners in Erinnerung.

Michael Grosse ist ein wunderbarer Rezitator. Das bewies der Intendant des Krefelder Stadttheaters bereits mit seiner szenischen Darstellung von Thomas Manns "Felix Krull" und seinem Balladenabend.


In der NS-Gedenkstätte Villa Merländer hatte der gelernte Schauspieler jetzt keine Bühne zur Verfügung. Lediglich ein Tisch mit Lampe diente als Unterlage für die Textblätter.


Dennoch brachte Grosse bei seiner Lesung den Roman "Die Insel des zweiten Gesichts" zum Schwingen. Mit starker Emotionalität, Stimmmodulationen, unterstützt durch unterstreichende Mimik und Gestik zog er die Zuhörer wie ein Magnet in den Text hinein. Die Personen des Romans gewannen plastische Gestalt.


Dabei kam ihm ein glücklicher Umstand zugute: der Roman von Albert Vigoleis Thelen ist durchweg ironisch gehalten. Eine Steilvorlage für Grosse, der ein begnadeter Humorist ist.


Anerkennung gebührt auch der Museumsleiterin Dr. Ingrid Schupetta, dass sie gerade dieses Werk für den Vortragsabend ausgesucht hatte.Denn "Die Insel des zweiten Gesichts" von 1953 gehört einerseits zu den Juwelen der deutschen Exilliteratur. Andererseits ist der Roman kaum jemandem bekannt.


Das ist umso bedauerlicher, als der Autor Albert Vigoleis Thelen ein Niederrheiner ist: er wurde 1903 in Süchteln geboren. In Krefeld besuchte er die damalige Textilfachschule.
Dabei ist Thelen alles andere als ein Regionalautor. Gut 55 Jahre seines Lebens verbrachte der Schriftsteller mit seiner Frau Beatrice im Ausland: Holland, Mallorca, Portugal, Schweiz. Erst 1986, im hohen Alter, kehrte das Paar an den Niederrhein zurück, nach Dülken. Dort verstarb Thelen 1989.


Neben einigen Gedichtbänden und einem zweiten, weniger erfolgreichen Roman, hinterließ er den "Insel-Roman" als sein Hauptwerk. Darin schildert der Emigrant sein eigenes Leben Anfang der 30er Jahre auf der heutigen Ferieninsel Mallorca. Dem Leser begegnen Tagediebe, Prostituierte, Künstler, Touristen, Nazis und Emigranten. Es ist eine bunte Gesellschaft am Vorabend des spanischen Bürgerkrieges, nachdem 1933 in Deutschland bereits die Nazis an die Macht kamen.


Das Besondere des Romans: Thelen schildert alles in einem humoristischen Ton, oft satirisch und spöttisch, dann wieder philosophisch reflektierend. Thomas Mann zählte den Band zu den wichtigsten Romanen des 20. Jahrhunderts.

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Derzeit ist Albert Vigoleis Thelen in Viersen eine Ausstellung gewidmet (siehe Info-Kasten) Historische Fotos und Buchausgaben zeichnen ein Bild seines unglaublichen Lebenswegs.
Nach einem kurze Hype durch den Insel-Roman in den 50er Jahren geriet Thelen bald wieder in Vergessenheit. Immerhin erhielt er noch das Bundesverdienstkreuz und wurde Ehrenprofessor von NRW.


Übrigens: Wer den Kapitalroman von fast 1000 Seiten selber lesen möchte, sei an die Krefelder Mediothek verwiesen. Dort steht das Buch im Regal.
Michael Grosse machte durch seine Lesung klar: die Lektüre lohnt sich.

Info:

Ausstellung über Albert Vigoleis Thelen mit dem Titel "Meine Heimat bin ich selbst - ein Leben im Exil": Villa Marx, Gerberstraße 20, Viersen.
Laufzeit: bis 15. Oktober
Information: www.heimatverein-viersen.de